Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Anwendungsbereich. Verbraucherverträge. Vertrag über die Erbringung juristischer Dienstleistungen zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG

 

Beteiligte

Šiba

BirutėŠiba

Arūnas Devėnas

 

Tenor

Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass sie auf Formularverträge über juristische Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar ist, die ein Rechtsanwalt mit einer natürlichen Person schließt, wenn diese nicht zu einem Zweck handelt, der ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Litauen) mit Entscheidung vom 7. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2013, in dem Verfahren

Birutė Šiba

gegen

Arūnas Devėnas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Neunten Kammer, des Richters M. Safjan (Berichterstatter) und der Richterin A. Prechal,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Devėnas im Beistand von I. Vėgėlė, advokatas,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch G. Taluntytė, A. Svinkūnaitė, R. Krasuckaitė und D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigte,
  • Irlands, vertreten durch E. Creedon und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von E. Carolan, BL, und D. McDonald, SC,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, A. Steiblytė und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Šiba und Herrn Devėnas in seiner Funktion als Rechtsanwalt wegen einer Honorarklage.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 10, 12, 14, 16 und 18 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. Von dieser Richtlinie ausgenommen sind daher insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts.

… So gilt diese Richtlinie … nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden …

… [D]iese Richtlinie [gilt] auch für die gewerbliche Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rahmen …

Die nach den generell festgelegten Kriterien erfolgende Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Klauseln, insbesondere bei beruflichen Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Bereichs, die ausgehend von einer Solidargemeinschaft der Dienstleistungsnehmer kollektive Dienste erbringen, muss durch die Möglichkeit einer globalen Bewertung der Interessenlagen der Parteien ergänzt werden. Diese stellt das Gebot von Treu und Glauben dar. Bei der Beurteilung von Treu und Glauben ist besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, und ob die Güter oder Dienstleistungen auf eine Sonderbestellung des Verbrauchers hin verkauft bzw. erbracht wurden. Dem Gebot von Treu und Glauben kann durch den Gewerbetreibenden Genüge getan werden, indem er sich gegenüber der anderen Partei, deren berechtigten Interessen er Rechnung tragen muss, loyal und billig verhält.

Bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln ist der Art der Güter bzw. Dienstleistungen Rechnung zu tragen.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie lautet:

„(1) Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

(2) Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft – insbesondere im Verkehrsbereich – Vertragsparteien sind, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.”

Rz. 5

Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

b) Verbraucher: eine nat...

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