Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Reisevertrag zwischen einem Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat und einem Reisebüro mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässiger Dienstleister, dessen sich das Reisebüro bedient. Recht des Verbrauchers, beim Gericht seines Wohnorts Klage gegen beide Unternehmen zu erheben

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 16 Abs. 1

 

Beteiligte

Maletic

Armin Maletic

Marianne Maletic

lastminute.com GmbH

TUI Österreich GmbH

 

Tenor

Der Begriff „anderer Vertragspartner” in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch den im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässigen Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers bezeichnet, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Feldkirch (Österreich) mit Entscheidung vom 20. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2012, in dem Verfahren

Armin Maletic,

Marianne Maletic

gegen

lastminute.com GmbH,

TUI Österreich GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der TUI Österreich GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt E. Reinitzer,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und S. Nunes de Almeida als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Maletic (im Folgenden: Eheleute Maletic) auf der einen sowie der lastminute.com GmbH (im Folgenden: lastminute.com) und der TUI Österreich GmbH (im Folgenden: TUI) auf der anderen Seite wegen Zahlung eines Betrags von 1 201,38 Euro nebst Zinsen und anderen Kosten aufgrund der Buchung einer von TUI veranstalteten Pauschalreise durch die Kläger des Ausgangsverfahrens bei lastminute.com.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 11 bis 13 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts...

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