Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Abfälle. Abwasser. Klärschlamm. Anwendungsbereich. Begriff ‚Abfall’. Ende der Abfalleigenschaft. Verwertungs- oder Recyclingverfahren

 

Normenkette

Richtlinie 2008/98/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Nr. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

Sappi Austria Produktion und Wasserverband ‹ Region Gratkorn-Gratwein ›

Sappi Austria Produktions-GmbH & Co. KG

Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein”

Landeshauptmann von Steiermark

 

Tenor

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien sind dahin auszulegen, dass Klärschlamm, der bei der gemeinsamen Behandlung von betrieblichem und häuslichem oder kommunalem Abwasser in einer Kläranlage anfällt und in einer Reststoffverbrennungsanlage zur Energierückgewinnung durch Dampferzeugung verbrannt wird, nicht als Abfall einzustufen ist, wenn die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 bereits vor seiner Verbrennung erfüllt sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (Österreich) mit Entscheidung vom 14. August 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 23. August 2019, in dem Verfahren

Sappi Austria Produktions-GmbH & Co. KG,

Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein”

gegen

Landeshauptmann von Steiermark

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Sappi Austria Produktions-GmbH & Co. KG und des Wasserverbands „Region Gratkorn-Gratwein”, vertreten durch die Rechtsanwälte P. Schaden und W. Thurner,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Thiran und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sappi Austria Produktions-GmbH & Co. KG (im Folgenden: Sappi) und dem Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein” (Österreich) (im Folgenden: Wasserverband) auf der einen und dem Landeshauptmann von Steiermark (Österreich, im Folgenden: Landeshauptmann) auf der anderen Seite wegen dessen Bescheids, wonach die Änderungen betreffend die Industrieanlagen von Sappi bzw. des Wasserverbands, die sich am selben Standort befinden, einer Genehmigungspflicht unterliegen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Wesentliche Zielsetzung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. 1975, L 194, S. 39) in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. 1991, L 78, S. 32, im Folgenden: Richtlinie 75/442) war der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen.

Rz. 4

Die Richtlinie 75/442 wurde durch die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. 2006, L 114, S. 9) kodifiziert, die in weiterer Folge aufgehoben und durch die Richtlinie 2008/98 ersetzt wurde. Die Art. 4, 8 und 9 der Richtlinie 75/442 wurden im Wesentlichen in Art. 13, Art. 36 Abs. 1 sowie die Art. 15 und 23 der Richtlinie 2008/98 übernommen.

Rz. 5

Kapitel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 2008/98 umfasst deren Art. 1 bis 7.

Rz. 6

Art. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Mit dieser Richtlinie werden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festgelegt, indem die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden.”

Rz. 7

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bestimmt:

„(2) Folgendes ist aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen, soweit es bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt ist:

a) Abwässer;

…”

Rz. 8

Art. 3 („Begriffsbestimmungen”) dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

1. ‚Abfa...

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