Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Dienstleistungsverkehr. Freier Kapitalverkehr. Nationale Regelung, die die Nichtigkeit von mit nicht zugelassenen Kreditgebern geschlossenen Kreditverträgen mit Auslandsbezug vorsieht. Von einer natürlichen Person im Hinblick auf die Erbringung von Beherbergungsleistungen für Touristen geschlossener Kreditvertrag. Begriff ‚Verbraucher’. Ausschließliche Zuständigkeit für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kreditvertrags und auf Löschung der Eintragung einer dinglichen Sicherheit im Grundbuch

 

Normenkette

AEUV Art. 56, 63; Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 17 Abs. 1, Art. 24 Nr. 1

 

Beteiligte

Milivojević

Anica Milivojević

Raiffeisenbank St. Stefan-Jagerberg-Wolfsberg eGen

 

Tenor

1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der namentlich Kreditverträge und die auf ihnen beruhenden Rechtshandlungen, die in diesem Mitgliedstaat zwischen Schuldnern und in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kreditgebern, die nicht über eine von den zuständigen Behörden des ersten Mitgliedstaats erteilte Zulassung für die Ausübung ihrer Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat verfügen, ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nichtig sind, selbst wenn sie vor dem Inkrafttreten dieser Regelung geschlossen wurden.

2. Art. 4 Abs. 1 und Art. 25 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen stehen einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren entgegen, die im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Kreditverträgen mit Auslandsbezug im Anwendungsbereich dieser Verordnung Schuldnern die Möglichkeit einräumt, gegen Kreditgeber, die nicht über eine von den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats erteilte Zulassung für die Ausübung ihrer Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat verfügen, entweder bei den Gerichten des Staates, in dem diese Kreditgeber ihren Sitz haben, oder bei den Gerichten des Ortes, an dem die Schuldner ihren Wohnsitz oder Sitz haben, Klage zu erheben, und die die Zuständigkeit für die von diesen Kreditgebern gegen ihre Schuldner erhobene Klage ausschließlich den Gerichten des Staates, in dem diese Schuldner, seien sie Verbraucher oder Unternehmer, ihren Wohnsitz haben, vorbehält.

3. Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass ein Schuldner, der einen Kreditvertrag im Hinblick auf die Durchführung von Renovierungsarbeiten an einer Immobilie, die sein Wohnsitz ist, abgeschlossen hat, um dort u. a. Beherbergungsleistungen für Touristen zu erbringen, nicht als „Verbraucher” im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, es sei denn, dieser Vertrag weist im Hinblick auf den Zusammenhang des Geschäfts, über das er geschlossen wurde, insgesamt betrachtet eine Verbindung mit dieser beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit auf, die so schwach ist, dass es auf der Hand liegt, dass dieser Vertrag im Wesentlichen private Zwecke verfolgt, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist.

4. Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Klage auf Löschung einer auf einer Immobilie lastenden Hypothek im Grundbuch im Sinne dieser Bestimmung eine Klage ist, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen … zum Gegenstand” hat, dass unter diesen Begriff aber keine Klage fällt, die auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kreditvertrags und einer notariellen Urkunde über die Bestellung einer Sicherungshypothek für die Forderung aus diesem Vertrag gerichtet ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Općinski sud u Rijeci – Stalna služba u Rabu (Stadtgericht Rijeka – Außenstelle Rab, Kroatien) mit Entscheidung vom 6. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2017, in dem Verfahren

Anica Milivojević

gegen

Raiffeisenbank St. Stefan-Jagerberg-Wolfsberg eGen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal und C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und M. Ilešič,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Raiffeisenbank St. Stefan-Jagerberg-Wolfsberg eGen, vertreten durch D. Malnar, M. Mlinac, P. G. Baučić, P. Novak, M. Sabolek, E. Garankić und A. Ðureta, odvjetnici, im Beistand von T. Borić, profesor,
  • der kroatischen Regierung, vertreten durch T. Galli als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller, L. Malferari und M. Mat...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge