Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachlicher Anwendungsbereich. Gesundheitsdienstleistungen. Soziale Dienstleistungen. Tages- und Nachtbetreuungszentren, die gegenüber alten Menschen Hilfe- und Pflegedienstleistungen erbringen

 

Normenkette

Richtlinie 2006/123/EG

 

Beteiligte

Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL

Commission communautaire commune de Bruxelles-Capitale

 

Tenor

Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass der Ausschluss der Gesundheitsdienstleistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie für jede Tätigkeit gilt, mit der der Gesundheitszustand der Patienten beurteilt, erhalten oder wiederhergestellt werden soll, sofern diese Tätigkeit von Fachkräften vorgenommen wird, die als solche nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats anerkannt sind, und zwar unabhängig von der Organisation, den Finanzierungsmodalitäten und dem öffentlichen oder privaten Charakter der Einrichtung, in der die Pflege erfolgt. Das innerstaatliche Gericht hat zu prüfen, ob die Tagesbetreuungszentren und die Nachtbetreuungszentren angesichts der Art der von den Angehörigen der Gesundheitsberufe dort durchgeführten Tätigkeiten und angesichts der Tatsache, dass diese Tätigkeiten einen Hauptbestandteil der von diesen Zentren angebotenen Dienstleistungen darstellen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen sind.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass sich der Ausschluss der sozialen Dienstleistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf jede Tätigkeit erstreckt, die insbesondere mit der Hilfe und der Unterstützung für alte Menschen zusammenhängt, sofern sie von einem privaten Dienstleistungsanbieter sichergestellt wird, der vom Staat mittels eines Rechtsakts beauftragt wurde, mit dem ihm in klarer und transparenter Weise eine echte Verpflichtung zur Gewährleistung solcher Dienstleistungen unter Beachtung bestimmter spezifischer Durchführungsbedingungen übertragen worden ist. Das innerstaatliche Gericht hat zu prüfen, ob die Tagesbetreuungszentren und die Nachtbetreuungszentren je nach der Art der in ihnen in erster Linie verrichteten Tätigkeiten der Hilfe und Unterstützung für alte Menschen und je nach ihrem Status, wie er sich aus der geltenden belgischen Regelung ergibt, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verfassungsgerichtshof (Belgien) mit Entscheidung vom 25. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Februar 2012, in dem Verfahren

Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL

gegen

Commission communautaire commune de Bruxelles-Capitale

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzlerin: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL, vertreten durch M. Vastmans, avocate,
  • der Commission communautaire commune de Bruxelles-Capitale (Gemeinsame Gemeinschaftskommission Brüssel-Hauptstadt), vertreten durch B. Fonteyn als Bevollmächtigten im Beistand von P. Slegers und S. Engelen, avocats,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman und C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Rogalski und C. Vrignon als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. März 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und j der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL (im Folgenden: Femarbel) und der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission Brüssel-Hauptstadt (im Folgenden: COCOM) über die Begriffe „Gesundheitsdienstleistungen” und „soziale Dienstleistungen”.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 sieht vor:

„Mit dieser Richtlinie wird ein allgemeiner Rechtsrahmen geschaffen, der einem breiten Spektrum von Dienstleistungen zugutekommt und gleichzeitig die Besonderheiten einzelner Tätigkeiten und Berufe und ihre Reglementierung berücksichtigt. … Die Richtlinie berücksichtigt auch andere Gemeinwohlinteressen, einschließlich des Schutzes der Umwelt, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit sowie der Einhaltung des Arbeitsrechts.”

Rz. 4

Im 22. Er...

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