Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Befreiung von eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind. Dienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung des Dienstleistungserbringers. Beurteilung der Art der Leistungen und der Voraussetzung, dass es sich um eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung handelt. Bestimmung des maßgebenden nationalen Rechts. Begriff ‚betreffender Mitgliedstaat’

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. g

 

Beteiligte

MOMTRADE RUSE

MOMTRADE RUSE OOD

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

 

Verfahrensgang

Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 27.09.2021; ABl. EU 2022, Nr. C 24/17)

 

Tenor

1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

zum einen soziale Dienstleistungen, die an natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem der Leistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, nach dieser Bestimmung von der Steuer befreit sein können und es zum anderen insoweit irrelevant ist, dass der Leistungserbringer eine in diesem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Anspruch genommen hat, um seine Kunden zu kontaktieren.

2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

dann, wenn eine Gesellschaft soziale Dienstleistungen an natürliche Personen erbringt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem wohnen, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, die Art dieser Dienstleistungen und die Merkmale dieser Gesellschaft zum Zweck der Bestimmung, ob diese Dienstleistungen unter die Wendung „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen …, die durch … von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden” im Sinne dieser Bestimmung fallen, nach dem – der Umsetzung der Richtlinie 2006/112 in der geänderten Fassung dienenden – Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Gesellschaft den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat, zu prüfen sind.

3. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass eine Gesellschaft, die soziale Dienstleistungen erbringt, bei einer öffentlichen Einrichtung des Besteuerungsmitgliedstaats als Erbringerin sozialer Dienstleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eingetragen ist, nur dann für die Annahme ausreicht, dass diese Gesellschaft unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als [Einrichtung] mit sozialem Charakter anerkannte [Einrichtung]” im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn für eine entsprechende Eintragung Voraussetzung ist, dass die zuständigen nationalen Behörden zuvor den sozialen Charakter dieser Gesellschaft für die Zwecke dieser Bestimmung geprüft haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Gericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 27. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Oktober 2021, in dem Verfahren

MOMTRADE RUSE OOD

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Petkov,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Dezember 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 (ABl. 2008, L 44, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsst...

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