Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer. Richtlinie 2002/14/EG. Umsetzung der Richtlinie durch Gesetz und durch Tarifvertrag. Wirkungen des Tarifvertrags für einen Arbeitnehmer, der nicht der Gewerkschaft angehört, die Partei des Tarifvertrags ist. Art. 7. Schutz der Arbeitnehmervertreter. Kein Erfordernis eines verstärkten Kündigungsschutzes

 

Beteiligte

Holst

Ingeniørforeningen i Danmark, handelnd für Bertram Holst

Dansk Arbejdsgiverforening, handelnd für Babcock & Wilcox Vølund ApS

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft ist dahin auszulegen, dass sie einer Umsetzung dieser Richtlinie durch Tarifvertrag, die bewirkt, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern dem betreffenden Tarifvertrag unterliegt, obwohl die dieser Gruppe zugehörigen Arbeitnehmer der an diesem Vertrag beteiligten Gewerkschaft nicht angehören und ihre Berufsgruppe von dieser Gewerkschaft nicht vertreten wird, nicht entgegensteht, sofern der Tarifvertrag den von ihm erfassten Arbeitnehmern einen wirksamen Schutz der Rechte gewährleisten kann, den ihnen diese Richtlinie verleiht.

2. Art. 7 der Richtlinie 2002/14 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, Arbeitnehmervertretern einen verstärkten Kündigungsschutz zu gewähren. Jedoch hat jede zur Umsetzung dieser Richtlinie, sei es durch Gesetz oder durch Tarifvertrag, vorgesehene Maßnahme den in diesem Art. 7 vorgesehenen Mindestschutz zu wahren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 16. September 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 2008, in dem Verfahren

Ingeniørforeningen i Danmark, handelnd für Bertram Holst,

gegen

Dansk Arbejdsgiverforening, handelnd für Babcock & Wilcox Vølund ApS,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Ingeniørforeningen i Danmark, handelnd für B. Holst, vertreten durch K. Schioldann, advokat,
  • der Dansk Arbejdsgiverforening, handelnd für Babcock & Wilcox Vølund ApS, vertreten durch P. Knudsen und H. Werner, advokater,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Pilgaard Zinglersen und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. B. Rasmussen und J. Enegren als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 2009

folgendes

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Ingeniørforening i Danmark (Dänische Ingenieurvereinigung, im Folgenden: IDA), handelnd für den ehemaligen Angestellten Holst der Gesellschaft Babcock & Wilcox Vølund ApS (im Folgenden: BWV), und der Dansk Arbejdsgiverforening (Dänischer Arbeitgeberverband, im Folgenden: DA), handelnd für BWV, über die Kündigung von Herrn Holst durch dieses Unternehmen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 18, 23 und 28 der Richtlinie 2002/14 lauten:

„(18) Dieser allgemeine Rahmen [für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, der dem neuen europäischen Kontext gerecht wird,] zielt auf die Festlegung von Mindestvorschriften ab, die überall in der Gemeinschaft Anwendung finden, und er darf die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, für die Arbeitnehmer günstigere Vorschriften vorzusehen.

(23) Das mit der Richtlinie verfolgte Ziel soll durch Festlegung eines allgemeinen Rahmens erreicht werden, der die Grundsätze, Begriffe und Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung definiert. Es obliegt den Mitgliedstaaten, diesen Rahmen auszufüllen, an die jeweiligen einzelstaatlichen Gegebenheiten anzupassen und dabei gegebenenfalls den Sozialpartnern eine maßgebliche Rolle zuzuweisen, die es diesen ermöglicht, ohne jeden Zwang auf dem Wege einer Vereinbarung Modalitäten für die Unterrichtung und Anhörung festzulegen, die ihren Bedürfnissen und ihren Wünschen am besten gerecht werden.

(28) Im Falle eines Verstoßes gegen die aus dieser Richtlinie folgenden Verpflichtungen müssen administrative oder rechtliche Verfahren sowie Sanktionen, die im Verhältnis zur Schwere des Vergehens wirksam, angemessen und abschreckend ...

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