Entscheidungsstichwort (Thema)

Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. Gemeinwirtschaftliche Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Dienstleistungskonzession. Begriff. Übertragung des mit der Nutzung der betreffenden Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Auftragnehmer

 

Beteiligte

Eurawasser

Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha)

Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH

 

Tenor

Bei einem Vertrag über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, um den betreffenden Vertrag als „Dienstleistungskonzession” im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste einzuordnen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Thüringer Oberlandesgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Mai 2008, in dem Verfahren

Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha)

gegen

Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH,

Beteiligte:

Stadtwirtschaft Gotha GmbH,

Wasserverband Lausitz Betriebsführungs GmbH (WAL),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Wasser- und Abwasserzweckverbands Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha), vertreten durch die Rechtsanwälte S. Wellmann und P. Hermisson,
  • der Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt U.-D. Pape,
  • der Stadtwirtschaft Gotha GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin E. Glahs,
  • der Wasserverband Lausitz Betriebsführungs GmbH (WAL), vertreten durch die Rechtsanwälte S. Gesterkamp und S. Sieme,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, D. Kukovec und C. Zadra als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „Dienstleistungskonzession” im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (im Folgenden: WAZV Gotha) und der Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Eurawasser) über die Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d der Richtlinie 2004/17 heißt es:

„(2) a)‚Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge’ sind zwischen einem oder mehreren der in Artikel 2 Absatz 2 aufgeführten Auftraggeber und einem oder mehreren Unternehmern, Lieferanten oder Dienstleistern geschlossene entgeltliche schriftliche Verträge.

d)‚Dienstleistungsaufträge’ sind Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang XVII, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind.

…”

Rz. 4

Art. 1 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie lautet:

„‚Dienstleistungskonzession’ ist ein Vertrag, der von einem Diensteistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.”

Rz. 5

In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

  1. ‚öffentlicher Auftraggeber’ den Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und...

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