Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Begriff der ‚Verfahren, die eine unerlaubte Handlung, eine ihr gleichgestellte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung zum Gegenstand haben’. Gerichtliches Vollstreckungsverfahren. Auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten. Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen. Ausschließliche Zuständigkeit

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 3, Art. 22 Nr. 5

 

Beteiligte

HRVATSKE ŠUME

HRVATSKE ŠUME d.o.o

BP Europa SE

 

Tenor

1. Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe nicht in die in dieser Bestimmung vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit fällt, auch wenn diese Klage deshalb erhoben wurde, weil die Frist verstrichen war, innerhalb deren die Herausgabe der in einem Zwangsvollstreckungsverfahren rechtsgrundlos überwiesenen Beträge im Rahmen eben dieses Vollstreckungsverfahrens geltend gemacht werden kann.

2. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe nicht in die in dieser Bestimmung vorgesehene Zuständigkeit fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Visoki trgovački sud (Hohes Handelsgericht, Kroatien) mit Entscheidung vom 6. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2020, in dem Verfahren

HRVATSKE ŠUME d.o.o.,Zagreb, als Rechtsnachfolgerin der HRVATSKE ŠUME javno poduzeće za gospodarenje šumama i šumskim zemljištima u Republici Hrvatskoj p.o., Zagreb

gegen

BP Europa SE als Rechtsnachfolgerin der Deutsche BP AG, diese wiederum Rechtsnachfolgerin der The Burmah Oil (Deutschland) GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Kammerpräsidenten S. Rodin sowie des Richters N. Piçarra,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der kroatischen Regierung, vertreten durch G. Vidović Mesarek als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und I. Gavrilova als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Mataija als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 und Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HRVATSKE ŠUME d.o.o., Zagreb, einer Gesellschaft mit Sitz in Kroatien, die Rechtsnachfolgerin der HRVATSKE ŠUME javno poduzeće za gospodarenje šumama i šumskim zemljištima u Republici Hrvatskoj p.o., Zagreb ist, und der BP Europa SE Hamburg, einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft Deutsche BP AG ist, die ihrerseits wiederum Rechtsnachfolgerin der The Burmah Oil (Deutschland) GmbH ist. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützter Anspruch auf Rückgewähr eines ohne rechtlichen Grund in einem später für unzulässig erklärten Vollstreckungsverfahren überwiesenen Betrags.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 8, 11 und 12 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(8) Rechtsstreitigkeiten, die unter diese Verordnung fallen, müssen einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten aufweisen, die durch diese Verordnung gebunden sind. Gemeinsame Zuständigkeitsvorschriften sollten demnach grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem dieser Mitgliedstaaten hat.

(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit mu...

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