Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Männliche und weibliche Arbeitnehmer. Gleiches Entgelt. Privates betriebliches Rentensystem. Je nach Geschlecht unterschiedliches normales Rentenalter. Tag des Erlasses von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung. Rückwirkende Angleichung dieses Alters an das der zuvor benachteiligten Personen

 

Normenkette

EG-Vertrag Art. 119 (nach Änderung Art. 141)

 

Beteiligte

Safeway

Safeway Ltd

Andrew Richard Newton

Safeway Pension Trustees Ltd

 

Tenor

Art. 119 EG-Vertrag (nach Änderung Art. 141 EG) ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Rentensystem eine mit dieser Vorschrift unvereinbare, sich aus der Festlegung je nach Geschlecht unterschiedlicher normaler Rentenalter ergebende Diskriminierung ohne sachliche Rechtfertigung durch eine Maßnahme beendet, mit der für den Zeitraum zwischen deren Ankündigung und deren Erlass das normale Rentenalter der Mitglieder dieses Systems rückwirkend an das normale Rentenalter der Angehörigen der bis dahin benachteiligten Gruppe angeglichen wird, selbst wenn diese Maßnahme nach nationalem Recht und nach dem Gründungsakt dieses Rentensystems zulässig ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 16. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2018, in dem Verfahren

Safeway Ltd

gegen

Andrew Richard Newton,

Safeway Pension Trustees Ltd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, T. von Danwitz (Berichterstatter) und N. Piçarra,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzlerin: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Safeway Ltd, vertreten durch B. Green, S. Allen, D. Pannick, QC, R. Mehta, Barrister, sowie T. Green und J. Heap, Solicitors,
  • von Herrn Newton, vertreten durch A. Short, QC, C. Bell und M. Uberoi, Barristers, sowie C. Rowland-Frank und J. H. C. Briggs, Solicitors,
  • der Safeway Pension Trustees Ltd, vertreten durch D. Murphy und E. King, Solicitors, sowie D. Grant, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Szmytkowska und L. Flynn als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. März 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 119 EG-Vertrag (nach Änderung Art. 141 EG).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Safeway Ltd auf der einen und Herrn Andrew Richard Newton und der Safeway Pension Trustees Ltd auf der anderen Seite über die Angleichung der Rentenleistungen für weibliche und männliche Mitglieder des von Safeway Pension Trustees verwalteten Rentensystems.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, der nun in Art. 157 AEUV verankert ist, ergab sich zum Zeitpunkt der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse aus Art. 119 EG-Vertrag.

Rz. 4

Danach galt:

„Jeder Mitgliedstaat wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.

Unter ‚Entgelt’ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet,

  1. dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,
  2. dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.”

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 5

Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rentensystem wurde 1978 von Safeway in Form eines Treuhandvertrags gegründet. Klausel 19 des Gründungsakts dieses Rentensystems (im Folgenden: Änderungsklausel) sieht im Wesentlichen vor, dass das Rentensystem, einschließlich des Wertes der Leistungen, durch Treuhandurkunde ab dem Tag einer schriftlichen Mitteilung an die Mitglieder rückwirkend geändert werden kann. Sie lautet wie folgt:

„Das Hauptunternehmen kann jederzeit und in gewissen Abständen mit Zustimmung der Treuhänder (‚trustees’) durch vom Hauptunternehmen und den Treuhändern ausgefertigten Vertragszusatz (‚supplemental deed’) die Treuhandvollmachten sowie die Bestimmungen des Rentensystems einschließlich dieses Treuhandvertrags (‚Trust Deed’) und der...

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