Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 43 EG. Zugelassene Psychotherapeuten. Quotensystem. Übergangsregelungen mit Ausnahmen. Verhältnismäßigkeit. Zulässigkeit

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen, dass sie die Übergangs- bzw. Bestandsschutzregelungen, aufgrund deren die Psychotherapeuten eine Zulassung bzw. eine Genehmigung zur Berufsausübung unabhängig von den geltenden Zulassungsbestimmungen erhalten, lediglich auf die Psychotherapeuten anwendet, die ihre Tätigkeit in einer Region Deutschlands im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenkassen ausgeübt haben, und die vergleichbare bzw. gleichartige Berufstätigkeit von Psychotherapeuten in anderen Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 23. Dezember 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und S. Grünheid als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter U. Lõhmus, J. Klučka und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen hat, dass sie die Übergangs- bzw. Bestandsschutzregelungen, aufgrund deren die Psychotherapeuten eine Zulassung bzw. eine Genehmigung zur Berufsausübung unabhängig von den geltenden Zulassungsbestimmungen erhalten, lediglich auf die Psychotherapeuten anwendet, die ihre Tätigkeit im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenkassen ausgeübt haben, und die vergleichbare bzw. gleichartige Berufstätigkeit von Psychotherapeuten in anderen Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt.

Rechtlicher Rahmen

2 Das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: SGB V) und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl 1998 I, S. 1311, im Folgenden: Psychotherapeutengesetz) regelt den Zugang zu den Heilberufen des „Psychologischen Psychotherapeuten” und des „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten” (berufsrechtlicher Teil, Art. 1 „[Psychotherapeutengesetz]”) sowie die Einbeziehung der neuen Heilberufe in das System der gesetzlichen Krankenversicherung (krankenversicherungsrechtlicher Teil, Art. 2, „Änderung des [SGB V]”).

3 Das Psychotherapeutengesetz sieht vor, dass für die Psychotherapeuten, die im Rahmen des vertragsärztlichen Systems praktizieren wollen, vom 1. Januar 1999 an ein von der jeweiligen Region abhängiges Quotensystem gilt. Lässt sich ein Psychotherapeut in einer Region nieder, kann er nur dann im vertragsärztlichen System tätig werden, wenn die Zahl der in dieser Region praktizierenden Psychotherapeuten eine bestimmte, dem Bedarf in dieser Region entsprechende Grenze nicht überschreitet.

4 Das Psychotherapeutengesetz enthält jedoch Regelungen, wonach die in einer Region bereits niedergelassenen Psychotherapeuten, die im vertragsärztlichen System praktizieren, auch wenn ihre Zahl den in dieser Region bestehenden Bedarf überschreitet, von ihrer Kassenzulassung weiter Gebrauch machen können, sofern sie die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 10 und 11 SGB V (im Folgenden: Übergangsregelungen) erfüllen.

5 § 95 Abs. 10 SGB V zur Zulassung von Psychotherapeuten hat folgenden Wortlaut:

„Psychotherapeuten werden zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, wenn sie

  1. bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzung der Approbation nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes und des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr. 3 erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben,
  2. bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorlegen und
  3. in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen haben.

Der Zulassungsausschuss hat über die Zulassungsanträge bis zum 30. April 1999 zu entscheiden.”

6 § 95 Abs. 11 SGB V zur Ermächtigung von Psychotherapeuten sieht vor:

„Psychotherapeuten werden zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt, wenn sie

  1. bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes erfüllt … und den Antrag auf Nachqualifikation gestellt haben,
  2. bis zum 31. März 199...

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