Entscheidungsstichwort (Thema)

Luftverkehr. Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Ausgleichsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung. Begriff ‚Nichtbeförderung’. Annullierung der Bordkarte eines Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen wegen unterstellter Verspätung eines vorhergehenden, gleichzeitig mit dem betreffenden Flug abgefertigten und vom selben Luftfahrtunternehmen durchgeführten Flugs

 

Beteiligte

Rodríguez Cachafeiro und Martínez-Reboredo Varela-Villamor

Germán Rodríguez Cachafeiro

María de los Reyes Martínez-Reboredo Varela-Villamor

Iberia, Líneas Aéreas de España SA

 

Tenor

Art. 2 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass der Begriff „Nichtbeförderung” auch den Fall erfasst, dass ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat, die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil N° 2 de A Coruña (Spanien) mit Entscheidung vom 29. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juni 2011, in dem Verfahren

Germán Rodríguez Cachafeiro,

María de los Reyes Martínez-Reboredo Varela-Villamor

gegen

Iberia, Líneas Aéreas de España SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Malenovský, E. Juhász, T. von Danwitz und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Iberia, Líneas Aéreas de España SA, vertreten durch J. Bejerano Fernández, procurador,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und M. Perrot als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. j, Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Rodríguez Cachafeiro und Frau Martínez-Reboredo Varela-Villamor gegen die Fluggesellschaft Iberia, Líneas Aéreas de España SA (im Folgenden: Iberia) führen, weil diese es abgelehnt hat, ihnen wegen Nichtbeförderung auf einem Flug von Madrid (Spanien) nach Santo Domingo (Dominikanische Republik) Ausgleichsleistungen zu erbringen.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EWG) Nr. 295/91

Rz. 3

Die Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr (ABl. L 36, S. 5), die bis zum 16. Februar 2005 in Kraft war, bestimmte in ihrem Art. 1:

„Mit dieser Verordnung wird ungeachtet des Staates, in dem ein Luftfahrtunternehmen ansässig ist, der Staatsangehörigkeit des Fluggastes und des Zielortes eine gemeinsame Mindestregelung für den Fall eingeführt, dass Fluggäste auf einem überbuchten Linienflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, auf das der [EG-] Vertrag anwendbar ist, nicht befördert werden, obwohl sie hierfür einen gültigen Flugschein mit bestätigter Buchung vorweisen können.”

Verordnung Nr. 261/2004

Rz. 4

Die Erwägungsgründe 1, 3, 4, 9 und 10 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1) Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(3) Durch die Verordnung … Nr. 295/91 wurde zwar ein grundlegender Schutz für die Fluggäste geschaffen, die Zahl der gegen ihren Willen nicht beförderten Fluggäste ist aber immer noch zu hoch; dasselbe gilt für nicht angekündigte Annullierungen und g...

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