Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsangleichung. Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge. Zuschlagsentscheidung. Verpflichtung der Mitgliedstaaten, für die Bieter einen vollständigen Rechtsschutz vorzusehen. Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Verfahren zur Nachprüfung der Zuschlagsentscheidungen vorzusehen. Nationale Rechtsvorschriften, die eine Gewährleistung des in der Richtlinie vorgesehenen Schutzes nicht zulassen. Verpflichtung zum Ersatz des Schadens, der einzelnen aufgrund des Fehlens der Möglichkeit entstanden ist, das nationale Recht anhand der Richtlinie auszulegen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b in Verbindung mit Absatz 6 Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge ist dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluß vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem die übergangenen Bieter unabhängig von der Möglichkeit, nach dem Vertragsschluß Schadensersatz zu erlangen, die Aufhebung der Entscheidung erwirken können, wenn die Voraussetzungen hierfür erfuellt sind.

2. Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge ist nicht dahin auszulegen, daß die für die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zuständigen Nachprüfungsinstanzen der Mitgliedstaaten ungeachtet des Fehlens einer Zuschlagsentscheidung, deren Aufhebung im Rahmen einer Nachprüfung, wie sie in dieser Bestimmung vorgesehen ist, beantragt werden könnte, zur Nachprüfung unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen befugt sind.

In einer solchen Situation können die Betroffenen, wenn die nationalen Bestimmungen nicht in einer mit der Richtlinie zu vereinbarenden Art und Weise ausgelegt werden können, nach dem geeigneten Verfahren des nationalen Rechts Ersatz der Schäden verlangen, die ihnen dadurch entstanden sind, daß die Richtlinie nicht innerhalb der vorgesehenen Frist umgesetzt worden ist.

 

Normenkette

Richtlinie 89/665 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, b, Abs. 6 Unterabs. 2

 

Beteiligte

Alcatel Austria u.a

Alcatel Austria AG u. a

Siemens AG Österreich

Sag-Schrack Anlagentechnik AG

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr

 

Tenor

Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b in Verbindung mit Absatz 6 Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge ist dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluß vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem der Antragsteller unabhängig von der Möglichkeit, nach dem Vertragsschluß Schadensersatz zu erlangen, die Aufhebung der Entscheidung erwirken kann, wenn die Voraussetzungen hierfür erfuellt sind.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665 ist nicht dahin auszulegen, daß die für die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zuständigen Nachprüfungsinstanzen der Mitgliedstaaten ungeachtet des Fehlens einer Zuschlagsentscheidung, deren Aufhebung im Rahmen einer Nachprüfung beantragt werden könnte, zur Nachprüfung unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen befugt sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

C-81/98

...

erlässt

der Gerichtshof (Sechste Kammer)

folgendes

Urteil:

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Bundesvergabeamt hat mit Beschluß vom 3. März 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 25. März 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Rz. 2

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Alcatel Austria AG u. a., der Siemens AG Österreich und der SAG-Schrack Anlagentechnik AG einerseits und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (im folgenden: Bundesministerium) andererseits über die Vergabe eines öffentlichen Liefer- und Bauauftrags.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Artikel 1 der Richtlinie 89/665 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/EWG und 77/62/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentli...

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