Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Grundsätze für die Verarbeitung. Rechenschaftspflicht im Hinblick auf die Verarbeitung. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung. Von einer Verwaltungsbehörde erstellte elektronische Akte über einen Asylantrag. Übermittlung an das zuständige nationale Gericht über ein elektronisches Postfach. Keine Vereinbarung zur Festlegung der gemeinsamen Verantwortlichkeit und kein Führen eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten. Folgen. Recht auf Löschung (Recht auf ‚Vergessenwerden‘). Recht auf Einschränkung der Verarbeitung. Begriff ‚unrechtmäßige Verarbeitung‘. Berücksichtigung der elektronischen Akte durch ein nationales Gericht. Keine Einwilligung der betroffenen Person

 

Normenkette

EUVO 679/2016 Art. 5-6, 26, 30; DS-GVO Art. 17-18

 

Beteiligte

Bundesrepublik Deutschland (Boîte électronique judiciaire)

UZ

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1.Art. 17 Abs. 1 Buchst. d und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

sind dahin auszulegen, dass

der Verstoß eines Verantwortlichen gegen die Pflichten aus den Art. 26 und 30 dieser Verordnung über den Abschluss einer Vereinbarung zur Festlegung der gemeinsamen Verantwortung für die Verarbeitung bzw. das Führen eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten keine unrechtmäßige Verarbeitung darstellt, die der betroffenen Person ein Recht auf Löschung oder auf Einschränkung der Verarbeitung verleiht, weil dieser Verstoß als solcher nicht bedeutet, dass der Verantwortliche gegen den Grundsatz der „Rechenschaftspflicht“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung verstößt.

2.Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher gegen seine Pflichten aus den Art. 26 oder 30 der Verordnung 2016/679 verstoßen hat, die Einwilligung der betroffenen Person keine Voraussetzung dafür darstellt, dass die Berücksichtigung dieser Daten durch ein nationales Gericht rechtmäßig ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-60/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Wiesbaden (Deutschland) mit Beschluss vom 27. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Februar 2022, in dem Verfahren

UZ

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von UZ, vertreten durch Rechtsanwalt J. Leuschner,
  • –        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und P.-L. Krüger als Bevollmächtigte,
  • –        der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • –        der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères und J. Illouz als Bevollmächtigte,
  • –        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, M.-T. Rappersberger und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
  • –        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, F. Erlbacher und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5, Art. 17 Abs. 1 Buchst. d und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b sowie der Art. 26 und 30 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2, im Folgenden: DS-GVO).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen UZ, einem Drittstaatsangehörigen, und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (im Folgenden: Bundesamt), wegen der Verarbeitung des von diesem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrags auf internationalen Schutz.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2013/32/EU

Rz. 3

Der 52. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) (ABl. 2013, L 180, S. 60) lautet:

„Die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Mitgliedstaaten...

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