Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Geltungsbereich. Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen. Ausschließliche Zuständigkeit für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen. Reichweite. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Bezug auf das Recht einer unter Betreuung gestellten Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, über ihre in einem anderen Mitgliedstaat belegenen unbeweglichen Sachen zu verfügen

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001

 

Beteiligte

Schneider S

Siegfried János Schneider

 

Tenor

Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – und insbesondere ihr Art. 22 Nr. 1 – ist dahin auszulegen, dass sie nicht auf ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist, das ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der gemäß dem Recht dieses Staates als Folge dessen, dass er unter Betreuung gestellt wurde, für partiell geschäftsunfähig erklärt wurde, vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats eingeleitet hat, um die Genehmigung zu erhalten, den ihm gehörenden Anteil an einer in diesem anderen Mitgliedstaat belegenen unbeweglichen Sache zu verkaufen, da ein solches Verfahren die „Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen” im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft, die vom materiellen Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sofiyski gradski sad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 29. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2012, in dem Verfahren

Siegfried János Schneider

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter E. Jarašiūnas und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch K. Szíjjártó und Á. Szilágyi als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch A. Robinson als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Savov und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das auf Antrag von Herrn Schneider, einem ungarischen Staatsangehörigen, für den ein Betreuer bestellt worden ist, wegen der Erteilung der Genehmigung zum Verkauf des ihm gehörenden Anteils an einer in der Republik Bulgarien belegenen unbeweglichen Sache eingeleitet wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 3

Der 7. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken.”

Rz. 4

Im 19. Erwägungsgrund derselben Verordnung heißt es:

„Um die Kontinuität zwischen dem [Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32, im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Ebenso sollte das Protokoll von 1971 [betreffend die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof, in seiner revidierten und geänderten Fassung] auf Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits anhängig sind, anwendbar bleiben.”

Rz. 5

Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2) Sie ist nicht anzuwenden auf:

  1. den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche...

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