Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Erbrechtliche Maßnahmen. Gültigkeit der Erklärung über die Ausschlagung einer Erbschaft. Erbe, der seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zuständigen Gerichts hat. Vor dem Gericht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erben abgegebene Erklärung

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 Art. 13, 28

 

Beteiligte

T.N. und N.N

T. N

N. N

 

Tenor

Die Art. 13 und 28 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses sind dahin auszulegen, dass eine von einem Erben vor einem Gericht des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts abgegebene Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft als hinsichtlich ihrer Form wirksam gilt, wenn die vor diesem Gericht geltenden Formerfordernisse eingehalten worden sind, ohne dass es für diese Wirksamkeit erforderlich wäre, dass sie die Formerfordernisse erfüllt, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht beachtet werden müssen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. November 2020, in dem Verfahren auf Betreiben von

T. N.,

N. N.,

Beteiligte:

E. G.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, M. Ilešič (Berichterstatter), D. Gratsias und Z. Csehi,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Greco, Avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch S. Grünheid, W. Wils und M. Wilderspin, dann durch S. Grünheid und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Januar 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 13 und 28 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. 2012, L 201, S. 107).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines von T. N. und N. N. eingeleiteten Verfahrens, das einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins über den Nachlass von W. N., des Ehemanns von E. G. und des Onkels von T. N. und N. N. (im Folgenden: Neffen des Erblassers), betrifft.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 7, 32 und 67 der Verordnung Nr. 650/2012 sehen vor:

„(7) Die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug derzeit noch Schwierigkeiten bereitet, sollten ausgeräumt werden, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern. In einem europäischen Rechtsraum muss es den Bürgern möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der Nachlassgläubiger müssen effektiv gewahrt werden.

(32) Im Interesse der Erben und Vermächtnisnehmer, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen als dem Mitgliedstaat haben, in dem der Nachlass abgewickelt wird oder werden soll, sollte diese Verordnung es jeder Person, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht dazu berechtigt ist, ermöglichen, Erklärungen über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils oder zur Begrenzung ihrer Haftung für Nachlassverbindlichkeiten vor den Gerichten des Mitgliedstaats ihres gewöhnlichen Aufenthalts in der Form abzugeben, die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist. Dies sollte nicht ausschließen, dass derartige Erklärungen vor anderen Behörden dieses Mitgliedstaats, die nach nationalem Recht für die Entgegennahme von Erklärungen zuständig sind, abgegeben werden. Die Personen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen möchten, Erklärungen im Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts abzugeben, sollten das Gericht oder die Behörde, die mit der Erbsache befasst ist oder sein wird, innerhalb einer Frist, die in dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht vorgesehen ist, selbst ...

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