Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Luftverkehr. Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen der Europäischen Union. Art. 4 Abs. 2. Unabhängigkeit des Koordinators. Begriff der ‚interessierten Einzelpartei’. Leitungsorgan des Flughafens. Funktionale Trennung. Finanzierung

 

Normenkette

Verordnung (EWG) Nr. 95/93

 

Beteiligte

Kommission / Portugal

Europäische Kommission

Portugiesische Republik

 

Tenor

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 545/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 verstoßen, dass sie nicht die Unabhängigkeit des Koordinators für die Zuweisung von Zeitnischen durch dessen funktionale Trennung von jeder interessierten Einzelpartei gewährleistet und sich nicht dessen versichert hat, dass die Finanzierung der Tätigkeiten des Koordinators so geregelt ist, dass seine Unabhängigkeit gewährleistet ist.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 24. April 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch P. Guerra e Andrade und F. Wilman als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes und V. Moura Ramos als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. 1993, L 14, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 545/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 (ABl. 2009, L 167, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 95/93) verstoßen hat, dass sie nicht die funktionale und finanzielle Unabhängigkeit des Koordinators für die Zuweisung von Zeitnischen gewährleistet hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

In den Erwägungsgründen 2, 5, 6, 8 und 10 der Verordnung Nr. 95/93 heißt es:

„Die Zuweisung von Zeitnischen auf überlasteten Flughäfen soll nach neutralen, transparenten und nichtdiskriminierenden Regeln erfolgen.

Der für den koordinierten Flughafen zuständige Mitgliedstaat sollte einen Koordinator ernennen, dessen Unparteilichkeit außer Frage steht.

Die Transparenz der Informationen ist eine wesentliche Voraussetzung, um ein objektives Verfahren für die Zuweisung von Zeitnischen sicherzustellen.

Die Politik der Gemeinschaft zielt darauf ab, … den Wettbewerb zu erleichtern und den Marktzugang zu fördern; um diese Ziele zu erreichen, muss Luftfahrtunternehmen, die auf innergemeinschaftlichen Strecken Flugdienste aufnehmen wollen, erhebliche Unterstützung zuteil werden.

Auch Neubewerbern sollte der Zugang zum Gemeinschaftsmarkt möglich sein”.

Rz. 3

Art. 2 der Verordnung enthält u. a. folgende Definitionen:

„Im Sinne dieser Verordnung sind

a) ‚Zeitnische’: die von einem Koordinator gemäß dieser Verordnung gegebene Erlaubnis, die für den Betrieb eines Luftverkehrsdienstes erforderliche Flughafeninfrastruktur eines koordinierten Flughafens an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit, die von einem Koordinator nach dieser Verordnung zugewiesen wurden, in vollem Umfang zum Starten oder Landen zu nutzen;

g) ‚koordinierter Flughafen’: ein Flughafen, auf dem ein Luftfahrtunternehmen oder ein anderer Fluggerätebetreiber zum Starten oder Landen eine vom Koordinator zugewiesene Zeitnische benötigt; hiervon ausgenommen sind Flüge in staatlichem Auftrag, Notlandungen und Flüge im humanitären Einsatz;

j) ‚Leitungsorgan des Flughafens’: die Stelle, die nach den nationalen Rechtsvorschriften – gegebenenfalls neben anderen Tätigkeiten – die Aufgabe hat, die Flughafeneinrichtungen zu verwalten und zu betreiben und die Tätigkeiten der verschiedenen Beteiligten auf dem betreffenden Flughafen oder in dem betreffenden Flughafensystem zu koordinieren und zu überwachen;

…”

Rz. 4

In Art. 4 „Flugplanvermittler und Koordinator”) der Verordnung heißt es:

„(1) Der für einen … koordinierten Flughafen zuständige Mitgliedstaat sorgt nach Konsultation der den Flughafen regelmäßig nutzenden Luftfahrtunternehmen, ihrer Verbände und des Leitungsorgans des Flughafens sowie, sofern vorhand...

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