Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Öffentlicher Aufruf zur Interessensbekundung. Teilnahmebedingungen. Ausschluss von in den Ruhestand versetzten Personen im öffentlichen oder privaten Bereich

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG

 

Beteiligte

Comune di Gesturi

CO

Comune di Gesturi

 

Tenor

Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 2, ihr Art. 3 Abs. 1 und ihr Art. 6 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es öffentlichen Verwaltungen verbietet, Aufträge über Studien und Beratung an Personen im Ruhestand zu vergeben, sofern diese Regelung ein rechtmäßiges Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik verfolgt und die zur Erreichung dieses Ziels verwendeten Mittel angemessen und erforderlich sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren tatsächlich der Fall ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Sardegna (Regionales Verwaltungsgericht für Sardinien, Italien) mit Entscheidung vom 21. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Oktober 2018, in dem Verfahren

CO

gegen

Comune di Gesturi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von CO, vertreten durch G. L. Machiavelli, F. Cocco Ortu und M. Tronci, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Santoro und A. Jacoangeli, avvocati dello Stato,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Valero als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen CO und der Comune di Gesturi (Gemeinde Gesturi, Italien) wegen eines Aufrufs zur Interessensbekundung für einen Auftrag über eine Studie und Beratung, der Personen im Ruhestand von der Teilnahme ausschließt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach ihrem Art. 1 ist „Zweck [der Richtlinie 2000/78] … die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.

Rz. 4

In Art. 2 der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

  1. liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
  2. liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

    i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…”

Rz. 5

Art. 3 („Geltungsbereich”) der Richtlinie bestimmt:

„(1) Im Rahmen der auf die [Europäische Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;

c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des...

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