Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Freier Dienstleistungsverkehr. Märkte für Finanzinstrumente. Begriffe ‚Kleinanleger’ und ‚Verbraucher’. Voraussetzungen, um sich auf die Verbrauchereigenschaft berufen zu können. Bestimmung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Klage

 

Normenkette

Richtlinie 2004/39/EG

 

Beteiligte

Reliantco Investments und Reliantco Investments Limassol Sucursala Bucureşti

AU

Reliantco Investments LTD

Reliantco Investments LTD Limassol Sucursala Bucureşti

 

Tenor

1. Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine natürliche Person, die gemäß einem Vertrag wie einem mit einer Finanzgesellschaft geschlossenen Vertrag über finanzielle Differenzgeschäfte über diese Gesellschaft Finanzgeschäfte vornimmt, als „Verbraucher” im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Abschluss dieses Vertrags nicht der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Für diese Einstufung sind zum einen Faktoren wie die Vornahme von Transaktionen in großer Zahl durch diese Person innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums bzw. die Investition bedeutender Geldbeträge durch diese Person in diese Transaktionen als solche grundsätzlich unerheblich und ist zum anderen die Eigenschaft dieser Person als „Kleinanleger” im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates grundsätzlich ohne Bedeutung.

2. Die Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Klage eines Verbrauchers aus deliktischer zivilrechtlicher Haftung für die Zwecke der Bestimmung des zuständigen Gerichts unter Kapitel II Abschnitt 4 dieser Verordnung fällt, wenn sie untrennbar mit einem zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden tatsächlich geschlossenen Vertrag verbunden ist, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Specializat Cluj (Landgericht mit Sonderzuständigkeit Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 2. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juli 2018, in dem Verfahren

AU

gegen

Reliantco Investments LTD,

Reliantco Investments LTD Limassol Sucursala Bucureşti

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin (Berichterstatter) und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters N. Piçarra,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von AU, vertreten durch Rechtsanwälte V. Berea und A. I. Rusan,
  • der Reliantco Investments LTD und der Reliantco Investments LTD Limassol Sucursala Bucureşti, vertreten durch Rechtsanwälte C. Stoica, L. Radu und D. Aragea,
  • der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch C.-R. Canţăr, E. Gane, A. Wellman und O.-C. Ichim, dann durch die drei Letztgenannten als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Lacerda, P. Barros da Costa und L. Medeiros als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf, N. Ruiz García, L. Nicolae und M. Heller als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1, Berichtigung in ABl. 2005, L 45, S. 18) sowie von Art. 7 Nr. 2 und Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1, Berichtigung in ABl. 2016, L 264, S. 18).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen AU auf der einen Seite sowie der Reliantco Investments LTD und der Reliantco Investments LTD Limassol Sucursala Bucureşti auf der anderen Seite wegen Limit-Orders, mit denen AU auf fallende Erdölpreise gese...

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