Entscheidungsstichwort (Thema)

Unionsbürgerschaft. Art. 17 EG. Durch Geburt erworbene Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats. Durch Einbürgerung erworbene Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats. Verlust der ursprünglichen Staatsangehörigkeit aufgrund dieser Einbürgerung. Rückwirkender Verlust der durch Einbürgerung erworbenen Staatsangehörigkeit wegen betrügerischer Handlungen bei ihrem Erwerb. Staatenlosigkeit, die den Verlust der Unionsbürgerschaft zur Folge hat

 

Beteiligte

Rottmann

Janko Rottmann

Freistaat Bayern

 

Tenor

Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, insbesondere Art. 17 EG, wenn ein Mitgliedstaat einem Unionsbürger die durch Einbürgerung erworbene Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats wieder entzieht, falls die Einbürgerung durch Täuschung erschlichen wurde, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Februar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2008, in dem Verfahren

Janko Rottmann

gegen

Freistaat Bayern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und E. Levits, der Kammerpräsidentin P. Lindh sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešic, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Rottmann, vertreten durch Professor W. Meng und Rechtsanwalt H. Heinhold,
  • des Freistaats Bayern, vertreten durch die Oberlandesanwälte J. Mehler und M. Niese,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, N. Graf Vitzthum und B. Klein als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch L. Uibo als Bevollmächtigten,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, S. Alexandridou und G. Papagianni als Bevollmächtigte,
  • der lettischen Regierung, vertreten durch E. Eihmane, U. Dreimanis und K. Drevina als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und T. Fülöp als Bevollmächtigte im Beistand von H. Eberwein, Sachverständiger,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Grünheid und D. Maidani als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. September 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Unionsbürgerschaft.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Rottmann und dem Freistaat Bayern über die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers des Ausgangsverfahrens durch den Freistaat Bayern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In der Erklärung Nr. 2 zur Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats, die die Mitgliedstaaten der Schlussakte des Vertrags über die Europäische Union beigefügt haben (ABl. 1992, C 191, S. 98), heißt es:

„Die Konferenz erklärt, dass bei Bezugnahmen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten die Frage, welchem Mitgliedstaat eine Person angehört, allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt wird. …”

Rz. 4

In Abschnitt A des Beschlusses der im Europäischen Rat von Edinburgh vom 11. und 12. Dezember 1992 vereinigten Staats- und Regierungschefs zu bestimmten von Dänemark aufgeworfenen Problemen betreffend den Vertrag über die Europäische Union (ABl. 1992, C 348, S. 1) heißt es:

„Mit den im Zweiten Teil des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft werden den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten die in diesem Teil aufgeführten zusätzlichen Rechte und der dort spezifizierte zusätzliche Schutz gewährt. Die betreffenden Bestimmungen treten in keiner Weise an die Stelle der nationalen Staatsbürgerschaft. Die Frage, ob eine Person die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, wird einzig und allein auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats geregelt.”

Nationales Recht

Deutsches Recht

Rz. 5

Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes sieht vor:

„Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.”

Rz. 6

§ 8 Abs. 1 des deutschen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1999 geltend...

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