Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Grundsatz der Gleichbehandlung und Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Ungleichbehandlung wegen des Alters. Vergleichbarkeit der Situationen. Zahlung einer Abfindung bei Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags zum Ausgleich der Unsicherheit. Ausschluss junger Personen, die während ihrer Schul- oder Semesterferien arbeiten

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1, 2 Buchst. a

 

Beteiligte

O

O

Bio Philippe Auguste SARL

 

Tenor

Das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, nach der eine Abfindung bei Vertragsende, die als Entgeltzulage bei Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags gewährt wird, wenn das vertragliche Arbeitsverhältnis nicht durch einen unbefristeten Vertrag fortgesetzt wird, nicht geschuldet wird, sofern der Vertrag mit einer jungen Person für einen Zeitraum geschlossen wird, der in ihren Schul- oder Semesterferien liegt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil de prud'hommes de Paris (Frankreich) mit Entscheidung vom 12. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 2014, in dem Verfahren

O

gegen

Bio Philippe Auguste SARL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. Lycourgos,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von O selbst,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin als Bevollmächtigten,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen O und der Bio Philippe Auguste SARL über deren Weigerung, ihm bei Ablauf seines befristeten Arbeitsvertrags eine Abfindung bei Vertragsende zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) ist „Zweck dieser Richtlinie … die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.

Rz. 4

In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

  1. liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
  2. liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

    i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…”

Französisches Recht

Rz. 5

Art. L. 1243-8 des Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) bestimmt:

„Wenn bei Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags das vertragliche Arbeitsverhältnis nicht durch einen unbefristeten Vertrag fortgesetzt wird, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung bei Vertragsende als Zulage, die dazu bestimmt ist, die Unsicherheit seiner Lage auszugleichen.

Diese Abfindung beträgt 10 % der gesamten dem Arbeitnehmer gezahlten Bruttovergütung.

Sie ergänzt die gesamte dem Arbeitnehmer geschuldete Bruttovergütung. Sie wird bei Ablauf des Vertrags gleichzeitig mit dem letzten Arbeitsentgelt gezahlt und in der entsprechenden Entgeltbescheinigung ausgewiesen.”

Rz. 6

Art. L. 124...

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