Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen. Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Klage des beruflich oder gewerblich Handelnden gegen den Verbraucher. Begriff ‚Wohnsitz des Verbrauchers’. Für die Bestimmung des Wohnsitzes des Verbrauchers maßgeblicher Zeitpunkt. Verlegung des Wohnsitzes des Verbrauchers nach Vertragsschluss und vor Klageerhebung

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 18 Abs. 2

 

Beteiligte

mBank

mBank S.A

PA

 

Tenor

Der Begriff „Wohnsitz des Verbrauchers” im Sinne von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er den Wohnsitz des Verbrauchers zum Zeitpunkt der Klageerhebung bezeichnet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obvodní soud pro Prahu 8 (Bezirksgericht Prag 8, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 27. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2020, in dem Verfahren

mBank S.A.

gegen

PA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der mBank S.A., einer in Polen ansässigen Bank, die in der Tschechischen Republik über eine Zweigniederlassung Online-Tätigkeiten ausübt, und PA wegen einer Forderung aus unbezahlten Raten eines Verbraucherkreditvertrags.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. …

(34) Um die Kontinuität zwischen dem … Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)] …, der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung [dieses] … Übereinkommens … und der es ersetzenden Verordnungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union.”

Rz. 4

Kapitel II („Zuständigkeit”) der Verordnung Nr. 1215/2012 enthält zehn Abschnitte. Art. 4 Abs. 1 in Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen”) dieser Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 5

Art. 7 in Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten”) des Kapitels II dieser Verordnung sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.

  1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
  2. im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

    • für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
    • für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
  3. ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a;

…”

Rz. 6

Abschnitt 4 („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen”) in Kapitel II der Verordnung Nr. 1215/2012 umfasst die Art. 17 bis 19.

Rz. 7

Art. 17 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit … nach diesem Abschnitt,

  1. wenn es sich um den Kauf bew...

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