Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherschutz. Vertrag mit einer Bank über ein Hypothekendarlehen. Klausel über die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts. Hinweis der Bank auf das Schiedsverfahren bei Vertragsabschluss. Missbräuchliche Klauseln. Beurteilungskriterien

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG

 

Beteiligte

Sebestyén

Katalin Sebestyén

Zsolt Csaba Kővári

OTP Bank

OTP Faktoring Követeléskezelő Zrt

Raiffeisen Bank Zrt

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und Nr. 1 Buchst. q des Anhangs dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass das betreffende nationale Gericht darüber zu befinden hat, ob eine in einem Vertrag über ein Hypothekendarlehen zwischen einer Bank und einem Verbraucher enthaltene Klausel, mit der einem ständigen Schiedsgericht, gegen dessen Entscheidungen kein innerstaatlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die ausschließliche Zuständigkeit für jede im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstandene Streitigkeit zugewiesen wird, in Anbetracht aller Begleitumstände des Vertragsschlusses als missbräuchlich im Sinne dieser Vorschriften anzusehen ist. Im Rahmen dieser Beurteilung muss das betreffende nationale Gericht insbesondere

  • prüfen, ob die in Rede stehende Klausel bezweckt oder bewirkt, dass dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und
  • dem Umstand Rechnung tragen, dass die Missbräuchlichkeit dieser Klausel nicht allein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil der Verbraucher vor Vertragsabschluss allgemeine Informationen über die Unterschiede zwischen dem Schiedsgerichtsverfahren und dem ordentlichen Gerichtsverfahren erhalten hat.

Bejahendenfalls obliegt es diesem Gericht, alle daraus nach nationalem Recht resultierenden Konsequenzen zu ziehen, um sich zu vergewissern, dass diese Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Szombathelyi Törvényszék (Ungarn) mit Entscheidung vom 16. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2013, in dem Verfahren

Katalin Sebestyén

gegen

Zsolt Csaba Kővári,

OTP Bank,

OTP Faktoring Követeléskezelő Zrt,

Raiffeisen Bank Zrt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits, S. Rodin und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Sebestyén einerseits und Zsolt Csaba Kővári, der OTP Bank, der OTP Faktoring Követeléskezelő Zrt sowie der Raiffeisen Bank Zrt andererseits wegen eines Antrags von Frau Sebestyén auf Nichtigerklärung missbräuchlicher Klauseln in einem mit der Raiffeisen Bank Zrt abgeschlossenen Vertrag über die Gewährung eines Hypothekendarlehens.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im 12. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„[D]iese Richtlinie [gilt] insbesondere nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. …”

Rz. 4

Art. 3 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.

Die Tatsache, dass bestimmte Elemente einer Vertragsklausel oder eine einzelne Klausel im einzelnen ausgehandelt worden sind, schließt die Anwendung dieses Artikels auf den übrigen Vertrag nicht aus, sofern es sich nach der Gesamtwertung dennoch um einen vorformulierten Standardvertrag handelt.

Behauptet ein Gewerbetreibender, dass eine Standardvertragsklausel im einzelnen ausgehandelt wurde, so obliegt ihm die Beweislast.

(3) Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.”

Rz. 5

In Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden U...

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