Bei der Frage der Mischnutzung einer Immobilie – und deren Bewertung – wird nunmehr dem Einkommensteuerrecht der Vorrang eingeräumt. Während nach § 99 Abs. 2 BewG a. F. die mehrheitlich betriebliche Nutzung (> 50 Prozent) zur Kompletterfassung des Wohn-/Geschäftshauses als Betriebsgrundstück führte, ist ab 1.1.2009 jede Mischimmobilie auch für Zwecke des ErbStG isoliert und ausschließlich nach dem Kriterium des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs (R 4.2 Abs. 4 EStR) zu beurteilen. Mit dem aktuellen Ermittlungsgebot des gemeinen Werts für beide Vermögenskategorien ist zwar der Unterschied nicht mehr in allen Fällen gravierend; es bleiben aber genügend Anwendungsfälle mit deutlich divergierenden Ergebnissen.

Die Streichung von § 97 BewG betrifft auch – und vor allem – Immobilien im zivilrechtlichen Eigentum eines Gesellschafters, die bei einem überwiegenden Nutzungsgrad durch "seine" Personengesellschaft voll umfänglich erbschaftsteuerliches Betriebsvermögen wurde (§ 97 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 BewG). Auch diese Rechtsfolge überdauert nicht das Inkrafttreten des neuen ErbStRG.

Mit dem Wegfall von § 99 Abs. 2 BewG ist die (alte) "Alles-oder-nichts"-Zuordnung von Mischgrundstücken aufgehoben.

Die nachfolgenden Ausführungen gelten bei Mitunternehmerschaften (Sonder-BV) – und damit bei Beteiligungsübertragungen – entsprechend.

3.4.1 Auswirkung auf das unterschiedlich genutzte Mischgrundstück

Mischgrundstücke werden demnach nach ihrem Nutzugs- und Funktionszusammenhang zugeordnet (R 4.2. Abs. 4 EStR) mit der Folge, dass Grundstück(steile), die eigenen Wohnzwecken dienen, immer Privatvermögen sind. Demgegenüber war dies (Grundstücke als Privatvermögen = Grundvermögen) nach altem Recht nur der Fall, wenn die betriebliche Nutzung geringer als 50 Prozent war; dann war das Grundstück aber zu 100 Prozent Grundvermögen = Privatvermögen.

Umgekehrt sind Grundstücksteile, die betrieblich genutzt werden, unabhängig vom Nutzungsgrad (vgl. aber § 8 EStDV), immer anteilig als Betriebsvermögen zu erfassen.

Lediglich die an Fremde zu Wohn- wie zu Gewerbezwecke vermieteten Teile eines Mischgrundstücks haben die Eigenschaft "gewillkürtes Betriebsvermögen" und rücken von daher in das Zentrum der Beurteilung.

Damit gilt die einkommensteuerliche Beurteilung (R 4.2 Abs. 4 und Abs. 7–10 EStR, § 8 EStDV) nunmehr auch im Erbschaftsteuerrecht. Schematisch bedeutet dies:

Als Vereinfachungsregelung (R 4.2 Abs. 8 EStR i. V. m. § 8 EStDV) ist schließlich noch zu beachten, dass betriebliche Grundstücksanteile von untergeordneter Bedeutung (= Wert < 1/5 des gesamten Werts und nicht mehr als 20.500 EUR) nicht als Betriebsvermögen behandelt werden müssen.

 
Praxis-Beispiel

Bei einem Mischgrundstück mit vier gleich großen Etagenflächen werden genutzt:

  • das EG für eigengewerbliche Zwecke (bzw. für Zwecke "seiner" PersG),
  • das 1. OG ist als Arztpraxis vermietet,
  • das 2. OG ist an Wohnungsmieter vermietet,
  • im 3. OG wohnt der Betriebsinhaber mit seiner Familie.

Lösung:

  • Nach einkommensteuerlichen Grundsätzen muss der Betriebsinhaber das EG als notwendiges Betriebsvermögen (nachfolgend: BV) aktivieren und hat bzgl. des 1. OG und des 2. OG ein Wahlrecht, es in die Bilanz aufzunehmen oder nicht (gewillkürtes BV). Das 3. OG ist notwendiges Privatvermögen und darf nicht bilanziert werden.
  • Nach altem Bewertungsrecht (§ 99 Abs. 2 BewG a. F.) ist das Grundstück zu 100 Prozent als Betriebsgrundstück auszuweisen, wenn es zu > 50 Prozent dem eigenen Betrieb dient. Dies ist hier nicht der Fall, sodass es vollständig als Grundvermögen erfasst war.

Durch den Wegfall des § 99 Abs. 2 BewG kann es mit 3/4 (nicht zu 100 Prozent) als Betriebsgrundstück behandelt werden, wenn der Betriebsinhaber von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG ist aber nur ein Viertel des Mischgrundstücks begünstigt, während das 1. OG und das 2. OG als Verwaltungsvermögen in den 50-Prozent-Test mit einzubeziehen ist.

 

Hinweis (für den 50-Prozent-Test)

Mit Ermittlung des gemeinen Werts für das erste OG und für das zweite OG im o. g. Beispiel, die beide als Verwaltungsvermögen gelten, wird der Zähler für die sog. 50-Prozent-Formel gebildet, während im Nenner der gemeine Wert des ganzen Betriebs die Vergleichsgröße für den entscheidenden 50-Prozent-Quotienten bildet.

In diese Gleichung ist das komplette Verwaltungsvermögen dieses Betriebs (und nicht nur die "Vermietungs"gebäudeteile) einzubeziehen.

3.4.2 Auswirkungen auf ein Grundstück mit mehreren Eigentümern

Die Probleme der Aufteilung und der Ermittlung des richtigen Quotienten treten ebenso bei Grundstücken im Miteigentum des Betriebsinhabers auf. Die "alte" Alles-oder-nichts-Regel des § 99 Abs. 2 Satz 3 f. BewG ist auch in diesem Punkt aufgehoben, sodass immer die jeweiligen Miteigentumsanteile des Betriebsinhabers die Grundlage für die Quotenbildung darstellen. Soweit es sich bei den Miteigentümern um Ehegatten handelt, ist auf das BFH-Urteil vom 26.2.2007, DStRE 2007, 1167, zu achten, wonach ein Grundstück zum Grundvermögen (und nicht zum Betriebsvermögen) zählt, wenn es Ehegatten gemeinsam gehört, aber nur einer der Ehegatte Betriebsinhaber ist (kein "Drit...

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