In der Praxis ist die Frage der Methodenkonkurrenz außerordentlich wichtig. Wie jeder Praktiker weiß, ergeben sich bei der Anwendung unterschiedlicher Bewertungsmethoden auch unterschiedliche Bewertungsergebnisse. Daher ist zunächst das Rangverhältnis der einzelnen Methoden festzustellen.

  • Unstreitig ist noch, dass die mögliche Heranziehung eines Börsenkurses erste Priorität besitzt. Fehlt es an einem Börsenkurs, so ist die Ermittlung des gemeinen Werts anhand von Vergleichsverkäufen innerhalb des letzten Jahres entscheidend. Der Vorrang dieser beider Methoden ergibt sich daraus, dass hier auf einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Kaufpreis abgestellt werden kann, der eine zuverlässigere Bewertung des Unternehmens ergibt als jede Schätzung – egal nach welcher Methode. Auch ist bei diesen beiden Methoden nicht auf den Substanzwert als Mindestwert zurückzugreifen, da die Heranziehung des Substanzwerts nur für Fälle einschlägig ist, die im Wege der Schätzung ermittelt wurden und deshalb die wirklichen Verhältnisse nur annäherungsweise erfassen können.
  • Hinsichtlich der Konkurrenz zwischen der Ertragswertmethode und einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methode (in der Folge nur "andere Methode") ist festzuhalten, dass Letztere vorrangig anzuwenden ist, falls die andere Bewertungsmethode in dieser Branche üblich ist. Dies ergibt sich daraus, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 letzter Hs. BewG diejenige Methode als anzuwenden festlegt, "die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde". Da aber ein gedachter Erwerber diejenige Methode zugrunde legen würde, die in der entsprechenden Branche auch anzuwenden üblich ist, gehen andere Methoden insoweit der Ertragswertmethode vor.
  • Nicht eindeutig geregelt und daher kontrovers diskutiert war zunächst das Verhältnis zwischen der Ertragswertmethode gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und dem vereinfachten Ertragswertverfahren wie es noch im Disskussionsentwurf zur AntBVBewV vorgesehen war. So wurde seitens der Literatur[1] vertreten, dass für den Fall, dass die Heranziehung des Ertragswertverfahrens einschlägig sei, für den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen einem anerkannten Ertragswertverfahren und dem vereinfachten Ertragswertverfahren bestehe. Dem hingegen wurde seitens Vertretern der Verwaltung[2] vertreten, dass bei Einschlägigkeit eines Ertragswertverfahrens stets das vereinfachte Ertragswertverfahren angewandt werden müsse, sofern dieses einschlägig sei und nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe. Für die praktische Anwendung stand daher zu befürchten, dass sich die Finanzverwaltung diesen letzteren Standpunkt zu eigen machen würde und in Fällen, in denen der Anwendungsbereich des vereinfachten Ertragswertverfahrens eröffnet ist, dieses auch anwenden würde.

    Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hat sich der Gesetzgeber allerdings Kritik der Literatur zur Kenntnis genommen und in § 199 BewG vorgesehen, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren beim Vorliegen der Voraussetzungen angewandt werden kann. Damit besteht für den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht, ob er ein "echtes" Ertragswertverfahren durchführen will, oder auf das vereinfachte Ertragswertverfahren der §§ 199 ff. BewG zurückgreift.

  • Soweit eine "andere Methode" anzuwenden ist, scheidet die Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens gem. §§ 199 ff. BewG aus.[3]
  • Der Ansatz des Substanzwerts als gemeiner Wert hat stets Vorrang vor allen in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aufgeführten Bewertungsmethoden, wenn dieser zu einem höheren Wert führt.

In der Praxis hat dies zur Folge, dass stets – abgesehen von der Ableitung des gemeinen Werts aus dem Börsenkurs oder aus einem zeitnahen Verkauf – der gemeine Wert nach der Ertragswertmethode/vereinfachten Ertragswertmethode/einer "anderen Methode" sowie nach der Substanzwertmethode zu ermitteln ist.

[1] Piltz, DStR 2008, 745.
[2] Mannek, DB 2008, 428.
[3] Begründung zu § 1 Abs. 1 und 2 AntBVBewV.

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