Leitsatz

Vereinbarungen können stillschweigend durch konkludentes Handeln oder ständige Übung geschlossen werden. Eine Vereinbarung durch konkludentes Handeln setzt einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Regelungswillen der Wohnungseigentümer voraus, der in dem konkreten Verhalten zum Ausdruck kommen muss. Es muss erkennbar sein, dass den Wohnungseigentümern bewusst war, dass sie ihr Verhältnis untereinander in Abweichung oder Ergänzung der Gesetze oder in Abweichung der bestehenden Vereinbarungen regeln.

Kann von einem Wohnungseigentümer wegen Eintritts der Verjährung keine Beseitigung mehr verlangt werden, ist er dennoch nicht berechtigt, den errichteten Zustand weiter zu verändern, etwa in dem er den von ihm geschaffenen baulichen Zustand modernisiert oder instand setzt.

 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer W errichtet auf seiner Gartensondernutzungsfläche eine Pergola aus Aluminium (die Pergola ist eigentlich ein raumbildender Säulen- oder Pfeilergang; heutzutage wird aber oft auch eine Überdachung zwischen Haus und Garage als Pergola bezeichnet).
  2. Oberhalb der Pergola bringt er eine Markise an. Wohnungseigentümer K stört sich hieran und klagt auf Entfernung. Zusätzlich klagt er darauf, dass W den ursprünglichen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums in diesem Bereich wieder herzustellen hat.
 

Entscheidung

  1. Mit Erfolg! K stehe ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG zu. Bei der von W – an der Stelle der vorher vorhandenen Holzpergola – errichteten Pergola handle es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 WEG. Diese hätte K's Zustimmung bedurft. K sei durch die Pergola über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus in seinen Rechten beeinträchtigt.
  2. Ein Nachteil sei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Entscheidend sei, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne. Bei einer erheblichen optischen Veränderung des Gesamteindrucks – wie im Fall – sei ein Nachteil regelmäßig anzunehmen. Eine Beeinträchtigung liege insoweit nur dann nicht vor, wenn die Veränderung lediglich aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive, wie etwa aus der Luft oder von einer für Wohnungseigentümer gewöhnlich nicht zugänglichen Dachfläche zu erkennen sei. Die Errichtung der Pergola sei ein derartiger Nachteil. Dass sie für K nicht wahrnehmbar sei, behauptete W nicht. Die Pergola verändere auch das äußere Erscheinungsbild der Sondernutzungsfläche.
  3. In der von W behaupteten langjährigen Übung, abweichend von den Regelungen des WEG die Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu regeln und bauliche Veränderungen vorzunehmen, liege keine konkludente Vereinbarung, aus der etwas anderes folgen könnte. Zwar könne eine Vereinbarung auch stillschweigend durch konkludentes Handeln oder ständige Übung geschlossen werden. Diese Übung setze jedoch einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Regelungswillen der Wohnungseigentümer voraus, der in dem konkreten Verhalten zum Ausdruck kommen müsse. Insoweit müsse erkennbar sein, dass den Wohnungseigentümern bewusst war, dass sie ihr Verhältnis untereinander in Abweichung oder Ergänzung der Gesetze oder in Abweichung der bestehenden Vereinbarungen regeln. Ein entsprechender Willen könne nicht festgestellt werden.
  4. Auf die Frage, ob die Errichtung der Pergola aus Aluminium eine bauliche Veränderung gegenüber der ursprünglich aus Holz errichteten Pergola darstelle, komme es nicht an. Diese Frage wäre nur entscheidungserheblich, wenn die ursprüngliche Pergola eine zulässige bauliche Veränderung dargestellt hätte. So liege es aber nicht. Für die Pergola habe es nie eine Zustimmung gegeben.
  5. Dem Beseitigungsanspruch stehe es nicht entgegen, dass ein Beseitigungsverlangen hinsichtlich der ursprünglichen Pergolakonstruktion aus Holz verjährt sei. Denn die Verjährung führe lediglich dazu, dass die übrigen Eigentümer insoweit eine – faktische – Duldungspflicht treffe. Diese Rechtsposition gebe den betreffenden Eigentümern hingegen nicht die Befugnis, den errichteten Zustand weiter zu verändern, etwa in dem er den von ihm geschaffenen baulichen Zustand modernisiert oder instand setzt (OLG Düsseldorf v. 26.6.2008, 3 Wx 217/07, NZM 2009 S. 442).
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Die Entscheidung behandelt einen Unterlassungs- und einen Wiederherstellungsanspruch. Diese Ansprüche sind zu unterscheiden.
  2. Soweit K darauf klagte, dass W den ursprünglichen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums wieder herzustellen hat, war seine Klage nach der neueren BGH-Rechtsprechung unzulässig! Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden, sind danach nämlich im Interesse einer geordneten Verwaltung einheitlich geltend zu machen. Es bestehe – anders als bei Ansprüchen gem. § 1004 BGB – eine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, und zwar auch für Wiederherstellungsansprüche (BGH v. 7.2.2014, V ...

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