1. Eindeutiger und zweifelsfreier Nachweis der Existenz der Gesellschaft und der Vertretungsbefugnisse der Organe im Rechtsverkehr

 

Rz. 256

Das Gründungszertifikat hat den öffentlichen Glauben für sich ("is conclusive evidence"), dass die Gesellschaft eintragungsfähig und ordnungsgemäß eingetragen ist. Mit Ausstellung der Gründungsurkunde kann die Ltd. als private Gesellschaft unmittelbar ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen, wohingegen eine plc dazu noch ein weiteres Dokument (trading certificate) haben muss. Die Gründungsurkunde kann am eingetragenen Sitz der Gesellschaft (registered office) oder an einem anderen Ort, an dem die Gesellschaft ihr Unternehmen betreibt (place of business), entweder eingerahmt und aufgehängt oder in den Akten der Gesellschaft aufbewahrt werden. Das Gesetz macht hierüber keine Vorschriften. Im Falle des Verlustes der Gründungsurkunde stellt der registrar gebührenpflichtig eine Zweitabschrift aus, welche anstelle des Originals verwendet werden muss. Normalerweise muss die Gesellschaft ihre Gründungsurkunde nicht oft vorlegen, so nur bei der Eröffnung eines Firmenkontos, wenn sie mit ausländischen Behörden oder Juristen zu tun hat oder wenn sie eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt.

 

Rz. 257

Weiter kann sich die Vorlage einer aktuellen Bescheinigung des Gesellschaftsregisters empfehlen, um sicherzustellen, dass die Ltd. noch im Gesellschaftsregister eingetragen und nicht zwischenzeitlich gelöscht worden ist, und die auch die Eintragung der Geschäftsführer belegen sollte. Das KG Berlin hat im rechtskräftigen Urteil vom 11.2.2005[40] zum Nachweis der Rechts- und Parteifähigkeit einer auf der Isle of Man registrierten Ltd. neben der Vorlage der Gründungsbescheinigung auch die Vorlage einer solchen aktuellen Bescheinigung des Gesellschaftsregisters für erforderlich gehalten. Die Isle of Man verfügt über eine eigene gesetzliche Regelung des Gesellschaftsrechts, die sich eng an das britische Recht anlehnt. Sowohl die Gründungsbescheinigung als auch die aktuelle Bescheinigung des Gesellschaftsregisters sollten im Original oder in öffentlich beglaubigter Kopie vorgelegt werden, wie auch das Kammergericht Berlin in diesem Urteil für Recht erkannt hat. Öffentliche Urkunden werden im Ausland jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt. Zwischen mehreren europäischen Staaten bestehen bilaterale Abkommen, aufgrund derer jedenfalls bestimmte öffentliche Urkunden, i.d.R. auch notarielle Urkunden, von jedem Echtheitsnachweis befreit sind. Eine sog. Apostille genügt im Verhältnis der Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5.10.1961. Eine Apostille wird vom Foreign and Commonwealth Office in London erteilt. Im Verhältnis zu den übrigen Staaten genügt jedenfalls eine Legalisation durch die Botschaften im Ausland.

[40] Az. 5 U 291/03.

2. Risiken

 

Rz. 258

Auch das Datum der Eintragung, also der Beginn der Rechtsfähigkeit, ist dann maßgebend, selbst wenn es sich im Nachhinein als falsch herausstellt, z.B. weil der registrar das Gründungszertifikat tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt unterschrieben hat. Gründungsmängel, die auf Umständen beruhen, nach denen die Gesellschaft erst gar nicht hätte eingetragen werden dürfen, also z.B. ein gesetzwidriger Unternehmenszweck, können durch das Gründungszertifikat von Dritten auch kaum mehr geltend gemacht werden. Nach ihrer Eintragung kann die Gesellschaft aufgrund eines gesetz- oder sittenwidrigen Gesellschaftszwecks nur noch vom registrar selbst gelöscht werden, der damit sozusagen seinen eigenen Fehler bei der Eintragung korrigiert, möglicherweise auch auf Antrag der Krone durch den Attorney General. Der Attorney General wird vom Solicitor General unterstützt und ist der hochrangigste rechtliche Berater der Regierung. Er nimmt auch bestimmte Funktionen im öffentlichen Interesse wahr. Gründungsmängel, die sich nicht aus Gesetz- oder Sittenwidrigkeit des Unternehmensgegenstandes ergeben und die außerhalb des sehr begrenzten Prüfungsumfangs des registrars liegen, also z.B. der Umstand, dass das Memorandum of association nicht in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, bleiben ohnehin praktisch folgenlos. Vgl. hierzu die Verstöße gegen die 1. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (siehe Rdn 39 f.). Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten und vielen kontinentaleuropäischen Jurisdiktionen hat England kein Problem mit sog. fehlerhaften Gesellschaften.

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