Rz. 36

Am 1.1.1973 ist Großbritannien Mitglied der damaligen drei Europäischen Gemeinschaften geworden, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft, heute der Europäischen Union.

 

Rz. 37

Der EU-Austritt, häufig als "Brexit" bezeichnet, erfolgte zum 31.1.2020, gefolgt von einer Übergangsphase, die bis zum 31.12.2020 währte. Seit dem 1.1.2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union sind zunächst mit dem Austrittsabkommen vom 24.12.2020 geregelt worden.

Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs hat weitreichende Auswirkungen auf das englische Gesellschaftsrecht. Mit Blick auf die Zollgrenzen ist zudem zwischen dem Vereinigten Königreich und und Großbritannien zu differenzieren.

 

Rz. 38

Die 1. Richtlinie (68/151/EWG) vom 9.3.1968 gilt auch für Ltd.s: Zunächst einmal hat die 1. Richtlinie grundlegende Publizitätsvorschriften gemacht. Publizitätspflichtige Tatsachen und Vorgänge, die in England eingetragene Gesellschaften betreffen, werden in der London Gazette, und solche, die in Schottland eingetragene Gesellschaften betreffen, werden in der Edinburgh Gazette veröffentlicht. Die meisten Veröffentlichungen bestimmter Ereignisse im Leben einer Gesellschaft in der Gazette beruhen auf Sec. 711 CA 1985, wonach der registrar die Ausstellung von Gründungsurkunden (certificates of incorporation) und den Erhalt von 23 weiteren, dort näher bestimmten Dokumenten in einer Gazette zu veröffentlichen hat. Diese weiteren Dokumente können etwa Änderungen des Gesellschaftsvertrags, Wechsel von Geschäftsführern, Sitzverlegungen, Auflösungen oder Zweigniederlassungen betreffen.

Die aus der Richtlinie folgenden Vorgaben zur Nichtigkeit von Gesellschaften sind nicht in das englische Recht umgesetzt worden.

 

Rz. 39

Die Buchhaltungsrichtlinie (2013/34/EU) galt auch für Ltd.s. Sie hat post-Brexit in der Anwendung Anpassungen erfahren.[5] Natürlich bleibt das Gebot der Bilanzwahrheit ("true and fair view"), das Großbritannien einst vorangetrieben hat, erhalten. Small private companies, also solche, die bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich Umsatz, Bilanzsumme und Beschäftigtenanzahl für diese Größenklasse nicht überschreiten, können für ihre beim Companies House einzureichenden Rechnungslegungsunterlagen bestimmte Erleichterungen in Anspruch nehmen. Insbesondere dürfen Angaben vorenthalten werden, die von Konkurrenten der Gesellschaft ausgenutzt werden könnten, für die Gläubiger der Gesellschaft hingegen nur einen geringen Informationswert besitzen.

 

Rz. 40

Fusionen und Spaltungen werden in Großbritannien normalerweise im Wege des Kaufs von Wirtschaftsgütern (asset deal) durchgeführt, weniger im Wege des Anteilskaufs (share deal) und noch viel weniger im Wege von Fusionen oder Spaltungen mit der Besonderheit der Gesamtrechtsnachfolge.

 

Rz. 41

Alle Unternehmen müssen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2021 beginnen, die von Großbritannien übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS) anstelle der von der EU übernommenen IAS anwenden. Am 1.1.2021 waren beide Standardsätze identisch.

 

Rz. 42

Zu ausländischen Zweigniederlassungen siehe § 2 Rdn 1 ff.

 

Rz. 43

Ein-Personen-Gesellschaften, also Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter, sind durch Sec. 123 CA 2006 ausdrücklich zugelassen, erfordern aber die Eintragung eines entsprechenden Hinweises.

[5] Financial Reporting Council, Amendments to UK and Republic of Ireland accounting standards UK exit from the European Union, Dec. 2020.

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