Leitsatz

Das OLG Hamm hatte sich damit auseinanderzusetzen, ob der Unterhaltspflichtige im Rahmen des Elternunterhalts den Stamm seines Vermögens einsetzen muss und welche Verpflichtungen des Unterhaltsschuldner bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen sind.

 

Sachverhalt

Das Sozialamt nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Elternunterhalt für dessen 1935 geborene Mutter ab November 2005 in Anspruch. Seit dieser Zeit wurde ihr öffentliche Hilfe gewährt, sie befand sich seit April 2005 in einem Pflegeheim. Sie erhielt Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III. Außer einem Pflegegeld von 1.432,00 EUR monatlich bezog sie eine Witwenrente, die sich seit Januar 2005 auf 740,59 EUR belief. Daneben bezog sie Wohngeld.

Die Mutter des Beklagten litt an einer Psychose mit der Folge einer Veränderung der Persönlichkeit in Form von Kontaktarmut, Antriebsschwäche, Wahnideen, Gedankenbeeinflussung und verschrobenem Verhalten.

Zwischen der Mutter und dem Beklagten bestand seit spätestens 1977 kein Kontakt mehr. Er vertrat in dem Verfahren die Auffassung, der Anspruch auf Elternunterhalt sei gemäß § 1611 BGB verwirkt, da seine Mutter ihn und seine Schwester schlecht behandelt habe. Sie habe durch ihr Verhalten einen krankhaften Waschzwang bei ihm verursacht und sich im Übrigen nach der Trennung von seinem Vater nicht mehr um ihre Kinder gekümmert.

Der Beklagte hatte im Sommer 2008 - während des laufenden Verfahrens - mit seiner Lebenspartnerin einen Vertrag zur Errichtung einer Doppelhaushälfte für einen Festpreis von 220.500,00 EUR abgeschlossen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stand und seit Juni 2009 von dem Beklagten und seiner Lebenspartnerin bewohnt wurde. Zur Finanzierung hatte er sein angespartes Kapitalvermögen über rund 67.000,00 EUR verwandt. Außerdem hatte er im Juni 2008 zwei Kredite über je 50.000,00 EUR aufgenommen und einen weiteren Kredit über 50.000,00 EUR zusammen mit seiner Lebenspartnerin am 1.7.2008.

Erstinstanzlich wurde der Beklagte zur Zahlung rückständigen Unterhalts sowie ab Mai 2008 zur Zahlung laufenden Elternunterhalts von 649,00 EUR verurteilt.

Die hiergegen von ihm eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Die Berufung der Klägerin war im Wesentlichen erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Elternunterhalt aus übergegangenem Recht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin müsse er sich allerdings keine Zinseinkünfte aus Kapitalvermögen zurechnen lassen. Tatsächlich habe er aus seinem früheren Vermögen von ca. 67.000,00 EUR in den Jahren 2005 bis 2008 keine Zinseinkünfte erzielt, weil die Erträge zum Zweck der Finanzierung des im 2. Halbjahr 2008 erworbenen Wohnungseigentums in der jeweiligen Anlage verblieben und damit Bestandteil des Vermögensstamms des Beklagten geworden seien. Den Beklagten treffe keine Verpflichtung zum Einsatz des Vermögensstamms für den Elternunterhalt, bei dem zu berücksichtigen sei, dass er wesentlich schwächer als der Kindes- oder Ehegattenunterhalt ausgestaltet sei. Außerdem habe der Beklagte seine Vermögensdispositionen im Zusammenhang mit der Anlage seines Vermögens zu einem Zeitpunkt getroffen, in dem Elternunterhalt noch nicht geschuldet worden sei. Dabei habe er seine Lebensstellung darauf eingerichtet, mit dem vorhandenen Vermögen zu einem späteren Zeitpunkt Grundeigentum zu erwerben, das zu seiner Absicherung im Alter dienen sollte. Solange er hierbei keinen unangemessenen Aufwand betreibe oder ein Leben in Luxus führe, blieben solche Vermögensdispositionen dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen.

Bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens sei zwischen Zins- und Tilgungsleistungen für das mit seiner Lebensgefährtin gemeinsam erworbene Hausgrundstück zu unterscheiden. Beim Elternunterhalt seien zwar neben den Zinsleistungen für Kredite zur Finanzierung des Eigenheims grundsätzlich auch die Tilgungsleistungen als abzugsfähig zu berücksichtigen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn der Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung so liege, dass der Schuldner noch nicht damit habe zu rechnen brauchen, für den Unterhalt seiner Eltern aufkommen zu müssen.

Bei Nichtberücksichtigung der Tilgungsaufwendungen könne es anderenfalls zur Notwendigkeit der Veräußerung des Familienheims kommen, die unterhaltsrechtlich grundsätzlich unzumutbar sei.

Vorliegend bestehe die Besonderheit, dass der Beklagte die aus der Errichtung des Eigenheims resultierenden Verbindlichkeiten im laufenden Rechtsstreit und damit zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, in der mit seiner Inanspruchnahme auf Elternunterhalt habe rechnen müssen.

Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Mutter des Unterhaltsschuldners hielt das OLG für nicht gegeben, weil vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung der Mutter von einer schweren Verfehlung nicht ausgegangen werden könne.

 

Hinweis

Im Rahmen des Elternunterhalts muss der Unterhaltsschuldner grundsätzlich den Stamm seines Vermögens einsetzen. Einschränkungen ergeben sich jedoch daraus, dass na...

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