Sobald das Sozialamt für ungedeckte Heimkosten in Vorleistung getreten ist, verschickt es an sämtliche Personen, die gegenüber dem Leistungserbringer unterhaltspflichtig sein können, Rechtswahrungsanzeigen. Dies ist in aller Regel der erste Kontakt der Kinder mit dem Sozialamt. Die Rechtswahrungsanzeige selbst stellt – ebenso wie eine ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ergehende Zahlungsaufforderung – keinen behördlichen Bescheid in Form eines Verwaltungsaktes dar, gegen den Widerspruch oder gar eine Klage erhoben werden könnte bzw. müsste.

Der Grund, warum das Sozialamt derartige Rechtswahrungsanzeigen schnellstmöglich verschickt, ergibt sich aus § 94 Absatz 4 SGB XII. Gemäß dieser Vorschrift kann der Sozialhilfeträger für die Vergangenheit den auf sich übergegangenen Unterhalt nur von der Zeit an fordern , zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Für die Zeit vor dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige kann Elternunterhalt nur dann geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige vorher gemäß § 1613 BGB zur Auskunftserteilung über sein Einkommen und Vermögen zum Zwecke der Berechnung des Unterhaltes oder zu einer konkreten Unterhaltszahlung aufgefordert wurde. Derartige Aufforderungen gehen einer Rechtswahrungsanzeige aber in der Praxis regelmäßig nicht voraus.

4.1.1 Bedeutung der Rechtswahrungsanzeige

Der Rechtswahrungsanzeige kommt aus rechtlicher Sicht eine große Bedeutung zu. Zum einen können – wie bereits dargestellt – rückwirkend ab dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige auch zu einem späteren Zeitpunkt noch Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden. Zum anderen muss sich der Unterhaltspflichtige spätestens ab dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige darauf einstellen, dass er ggf. Elternunterhalt zahlen muss. Dementsprechend können Verbindlichkeiten, die erst nach Zugang der Rechtswahrungsanzeige eingegangen werden, nur unter erheblich erschwerten Bedingungen bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden. Kreditverpflichtungen, die bis zum Zugang der Rechtswahrungsanzeige von dem Unterhaltspflichtigen eingegangen wurden, können hingegen in aller Regel problemlos berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt nur , wenn der Unterhaltspflichtige bereits vor dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige nachweislich Kenntnis von einer unmittelbar bevorstehenden Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten hatte.

 
Praxis-Beispiel

Die Mutter M des Kindes K, das seit vielen Jahren als Betreuerin von M tätig ist, kommt am 1.12.2015 in ein Pflegeheim. Da das Sozialamt für ungedeckte Heimkosten aufkommt, erhält K noch im Dezember 2015 eine Rechtswahrungsanzeige. Im Oktober 2015 hat K noch ein neues Auto finanziert. Auf ein neues Auto war K zwar nicht angewiesen, mit dem vorgezogenen Kauf wollte sie jedoch erreichen, dass die Finanzierungsrate bei der Berechnung des Elternunterhaltes berücksichtigt wird. Der Plan von K dürfte allerdings in diesem Fall nicht aufgehen, weil sie bei Eingehung der Finanzierung als Betreuerin von M Kenntnis von der bevorstehenden Heimunterbringung und Bedürftigkeit hatte.

 
Praxis-Tipp

Fragen Sie niemals beim Sozialhilfeträger nach, ob bzw. wann mit Post von dort gerechnet werden kann. Solange keine Post vom Sozialamt kommt, muss auch kein Unterhalt rückwirkend gezahlt werden.

4.1.2 Inhalt der Rechtswahrungsanzeige

Die Rechtswahrungsanzeige muss zwingend nur die Mitteilung enthalten, dass der Sozialhilfeträger Leistungen für die unterhaltsberechtigte Person erbringt. In aller Regel beinhaltet die Rechtswahrungsanzeige aber darüber hinaus

  • die Mitteilung, dass der Adressat des Schreibens als Unterhaltspflichtiger in Betracht kommt,
  • die Mitteilung, dass potentielle Unterhaltsansprüche der Eltern bis zur Höhe der gewährten Leistungen auf den Sozialhilfeträger gem. § 94 Abs. 1 SGB XII übergeleitet werden,
  • ggf. – sofern Anhaltspunkte für die Überschreitung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 EUR vorliegen – die Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, wobei ein entsprechender Fragebogen zur Erfassung der Auskünfte meistens beigefügt wird und
  • die Aufforderung, der Auskunft entsprechende Belege beizufügen.

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