Leitsatz

Können Eltern sich in einzelnen Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, nicht einigen, so kann das FamG gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil übertragen. Eine Frage von erheblicher Bedeutung kann sein, in welcher Religionszugehörigkeit das Kind erzogen wird. Das Problem stellt sich insbesondere dann, wenn die Eltern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit sind. Über einen solchen Fall hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden.

 

Sachverhalt

Die Eltern des betroffenen Kindes lebten voneinander getrennt und waren gemeinsam sorgeberechtigt. Das Kind wurde nach der Trennung im Haushalt der Mutter erzogen. Der Kindesvater war tunesischer Staatsangehöriger und muslimischen Glaubens. Die Kindesmutter war deutsche Staatsangehörige und Katholikin. Nach der Trennung hatte die Kindesmutter das gemeinsame Kind katholisch taufen lassen. Es war ungeklärt, ob der Vater zuvor zugestimmt hatte.

Der Vater begehrte mit seinem Antrag die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die weitere religiöse Erziehung auf sich und erklärte dabei seine Absicht, für das Kind sodann den Austritt aus der katholischen Kirche zu erklären, damit es später im Zeitpunkt der Religionsmündigkeit selbst entscheiden könne, welcher Religion es angehören wolle.

Das AG hat nach Anhörung der Eltern den Antrag des Kindesvaters zurückgewiesen und seine Entscheidung damit begründet, die Mutter sei die Hauptbezugsperson des Kindes. Durch den dauernden Aufenthalt bei ihr würden dem Kind Werte ihres katholischen Glaubens vermittelt.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die gemäß §§ 58 ff. FamFG eingelegte Beschwerde des Kindesvaters.

 

Entscheidung

Das OLG hat die Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die inhaltliche Entscheidung darüber, welche Religion für das Kind gewählt werde, nicht vom Gericht getroffen werden dürfe, sondern den Eltern obliege. Könnten sich die gemeinsamen sorgeberechtigten Eltern nicht einigen, könne einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB übertragen werden. Dies gelte auch dann, wenn der Streit eine Einzelfrage, wie im vorliegenden Fall die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche, betreffe.

Ob es dem Kindeswohl besser diene, wie vom Kindesvater vertreten, wenn das Kind aus der katholischen Kirche wieder austrete und damit seine religiöse Orientierung offen gehalten werde, bis es selbst in der Lage sei, zu entscheiden, welcher Religionsgemeinschaft es angehören wolle, sei fraglich. Hierauf komme es letztendlich aber auch nicht an. Welches Erziehungskonzept für ihr Kind vorzuziehen sei, könne nicht durch das Gericht entschieden werden. Diese Entscheidungsbefugnis stehe allein den Eltern zu. Maßgeblich für die Entscheidung, wem die Befugnis zur Regelung der streitigen Einzelfrage zu übertragen sei, seien vielmehr die verschiedenen Aspekte des elterlichen Sorgerechts. Dabei komme es im Wesentlichen auf den Kontinuitätsgrundsatz an. Da das Kind bei der Mutter lebe und in einer katholischen Umgebung aufwachse, spreche jedenfalls nichts überwiegend dafür, die Entscheidung über den Kirchenaustritt dem Vater zuzuweisen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 09.02.2010, 13 UF 8/10

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