Als sexueller Missbrauch wird jede sexuelle Handlung bezeichnet, die an oder vor einem Kind oder Jugendlichen entweder gegen dessen Willen vorgenommen wird, oder, der er aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann.

Der Täter, bzw. die Täterin nutzt seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Minderjährigen zu befriedigen.

Bei der Kindeswohlgefährdung durch sexuellen Missbrauch tritt oft das Problem auf, dass ein Verdacht besteht, dieser jedoch ebenso wenig wie das Gegenteil bewiesen werden kann. So handelt es sich hier nicht selten um eine Gratwanderung, Kinder unbegründet von ihren Eltern(teilen) zu trennen und evtl. Unschuldige zu stigmatisieren bzw. zu dulden, dass Kinder missbraucht werden.

Es ist zu unterscheiden, ob lediglich der Vorwurf bzw. der Verdacht besteht, oder der Verdacht sich bereits konkretisiert hat und gegen den Beschuldigten mittels eines Strafverfahrens beendet wurde.

Zur Frage, wie konkret die Gefährdung des Kindeswohls sein muss, um eine Trennung des Kindes von der Familie zu begründen, hat das OLG Karlsruhe im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch erklärt:[1]

  • "Aus dem Zusammenleben einer allein sorgeberechtigten Mutter mit einem wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vorbestraften Lebensgefährten kann sich eine Gefährdung des Kindeswohls ergeben. Zur Abwendung dieser Gefahrenlage kann ein Schutzkonzept, bestehend aus verschiedenen, dem Einzelfall entsprechenden Maßnahmen, ausreichend sein, dessen Implementierung durch Weisungen gegenüber der Mutter und ihrem Lebensgefährten und eine fortdauernde Befassung des Familiengerichts und Jugendamts sichergestellt werden kann. Auf intensivere Eingriffe in das Sorgerecht kann dann verzichtet werden."

Dies bedeutet, dass einer sorgeberechtigten Mutter, die mit einem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraften Lebensgefährten zusammenlebt, nicht zwingend das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Ihre minderjährige Tochter zu entziehen und das Kind außerhalb der Familie unterzubringen ist. Das Gericht hat im entschiedenen Fall mithilfe eines Sachverständigengutachtens die Prognose aufgestellt, dass ein Risiko zwar noch als wahrscheinlich angesehen wird, jedoch unterhalb von 50 % liege.

Das OLG erklärt:

  • "Eine weitergehende bezifferbare Eingrenzung erscheint hingegen nicht möglich, was jedoch bedeutet, dass für eine in erheblichem Maße erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen".

Auch wenn im entschiedenen Fall die Bewertung durch sachverständige und fachkundige Personen erfolgt: Es handelt sich um eine Prognose mit ungewissem Ausgang.[2]

Erziehungseignung ist bei nachgewiesenem sexuellen Missbrauch natürlich nicht gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung[3] liegt auch keine Erziehungseignung vor, wenn sexueller Missbrauch geduldet wird.[4]

Sexueller Missbrauch (Fremdbestimmung) liegt selbstverständlich auch vor, wenn die Triebfeder des Erwachsenen nicht die eigene sexuelle Befriedigung, sondern ggf. finanzielle Habgier ist, also z. B. das Anhalten zur Prostitution, Herstellen pornografischer Fotos oder Filme etc.[5]

Zu weit geht allerdings die Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahre 1962, wonach auch im Anhalten einer 16-jährigen Tochter dazu, vor Eingehen einer Ehe sexuelle Erfahrungen zu sammeln, sexuelle Fremdbestimmung und damit Sorgerechtsmissbrauch gesehen werden[6] kann.

[1] FuR 2021, 316.
[2] So Seier Anmerkung zu OLG Karlsruhe, a. a. O., 318.
[3] Vgl. OLG Hamm, FamRZ 1996, 562.
[4] OLG Stuttgart, FamRZ 1994, 718; Rösner/Schade, FamRZ 1993, 1133.
[5] Grüneberg/Götz § 16666 Rn 4 a.
[6] OLG Hamm, JMinBlNRW 1962, S. 243

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