Zusammenfassung

Einem Gesellschafter muss es im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes auch nach einer Beschlussfassung noch möglich sein, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine (wahrscheinlich) unrichtige Gesellschafterliste zu erlangen. Andernfalls könnte effektiver Rechtsschutz allein aufgrund von zeitlichen Zufälligkeiten nicht erlangt werden.

Zur Sache

In einer Gesellschafterversammlung, zu der die betreffende Mehrheitsgesellschafterin nicht ordnungsgemäß geladen war, wurde beschlossen, dass die Gesellschaftsanteile der Mehrheitsgesellschafterin eingezogen werden sollen. In einer nachfolgenden Gesellschafterversammlung wurde dann beschlossen, dass die übrigen Gesellschaftsanteile aufgestockt werden. Im Anschluss an diese Gesellschafterversammlungen wurde eine neue Gesellschafterliste, die nur noch die verbliebenen Gesellschafter auswies, beim Registergericht eingereicht.

Die Eintragung der neuen Gesellschafterliste im Handelsregister wirkt gem. § 16 Abs. 1 GmbH faktisch wie ein Vollzug des Gesellschafterbeschlusses, weil nur die Gesellschafterliste, die im Handelsregister eingetragen ist eine (faktische) Gesellschafterstellung hinsichtlich bestimmter Gesellschafterrechte vermittelt (sog. Legitimationswirkung).

Das Landgericht Berlin erließ daraufhin antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegen die Gesellschaft als Antragsgegnerin, in der es die Gesellschaft unter anderem dazu verpflichtete, die (ausgeschlossene) Mehrheitsgesellschafterin weiterhin als Gesellschafterin zu behandeln. Weiterhin wurde der Gesellschaft aufgegeben, eine Gesellschafterliste zu erstellen, die den status quo ohne Einziehung ausweist und beim Registergericht einzureichen.

Diese einstweilige Anordnung wurde mit Urteil des LG Berlin, v. 21.12.2022, 96 O 30/22 sowie mit Berufungsurteil vom KG, v. 17.5.2023, 23 U 14/23 bestätigt.

Hintergrund

Der einstweilige Rechtsschutz hat im Hinblick auf die Verfahrensdauer einer Anfechtungs- sowie einer positiven Beschlussfeststellungsklage gerade im Beschlussmängelrecht eine enorme Bedeutung. Ohne die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung, insbesondere auch noch nach einer Beschlussfassung (etwa über eine Abberufung), müsste der anfechtbare Beschluss vorläufig als wirksam behandelt werden. Bis zur Rechtskraft eines Gestaltungsurteils würden durchschnittlich mehrere Jahre vergehen. Dennoch gilt es zu beachten, dass durch die einstweilige Verfügung nicht der Beschluss für nichtig erklärt wird, sondern lediglich der Vollzug des Beschlusses ausgesetzt wird.

Grundsätzlich wird der einstweilige Rechtsschutz nur darauf gerichtet sein, die Gesellschafterliste vorläufig zu überprüfen. Sofern jedoch die Gesellschaft versucht, die Rechtsschutzmöglichkeit des Gesellschafters gezielt zu unterlaufen, indem sie möglichst schnell eine neue Gesellschafterliste bei dem zuständigen Registergericht einreicht, besteht ausnahmsweise über die Untersagung der Einreichung der geänderten Gesellschafterliste hinaus auch ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste, die den status quo ohne den (mutmaßlich rechtswidrigen) Beschluss ausweist. Dieser Beseitigungsanspruch stellt die Fortsetzung des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs gegen die Eintragung der neu eingereichten Gesellschafterliste dar.

Der einstweilige Rechtsschutz ist insoweit weitreichender als die Eintragung eines Widerspruchs. Ein Widerspruch gegen die Eintragung im Handelsregister würde lediglich vor einem gutgläubigen Wegerwerb nach § 16 Abs. 3 GmbHG der Gesellschaftsanteile, nicht aber vor der Behandlung als Nichtgesellschafter schützen. Wird dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Verfügung jedoch aufgegeben, den Antragsteller weiter als Gesellschafter zu behandeln und eine korrigierte Gesellschafterliste einzureichen, gilt faktisch die vorherige Gesellschafterliste bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung fort.

Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ergibt sich nach dem Urteil des Kammergerichts aus der Eintragung der Streichung aus der Gesellschafterliste. Die Tatsache, dass der Gesellschafter aufgrund der Streichung seine Gesellschafterrechte nicht mehr ausüben kann, stellt einen wesentlichen Nachteil i.S.d. § 940 ZPO dar, den es abzuwenden gilt. Andernfalls könnten die übrigen Gesellschafter während der Dauer des Rechtsstreits in der Hauptsache aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG sich dadurch Vorteile verschaffen, dass sie das Unternehmen nach ihrem Belieben umgestalten. Alle während der Rechtshängigkeit gefassten Beschlüsse würden auch bei Obsiegen des Gesellschafters in der Hauptsache wirksam bleiben. Insbesondere satzungs- und strukturändernde Beschlüsse, die aufgrund der veränderten Machtverhältnisse möglich waren, kann ein Mehrheitsgesellschafter nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens entweder nicht mehr rückgängig machen, oder dies ist nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich.

Bei Vorliegen der jeweilige...

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