1 Leitsatz

Ohne Verwalter wird die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG grundsätzlich vom Verwalter vertreten wird und bei Lagerbildung eine Gesamtvertretung erschwert ist.

2 Normenkette

§§ 9b Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG; §§ 935, 940 ZPO

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es keinen Verwalter. Außerdem stehen dringende Maßnahmen an. Wohnungseigentümer K klagt daher gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch die anderen Wohnungseigentümer, ihn zu ermächtigen, eine Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen. Auf dieser Versammlung will K einen Verwalter bestellen lassen. Ferner sollen die Wartung der Geothermieanlage und die Reparatur einer Außenmauer geklärt werden.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Antrag sei zulässig. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei prozessfähig. Sie werde durch die anderen Wohnungseigentümer vertreten. Ein Prozesspfleger müsse also nicht bestellt werden.

Der Antrag sei auch begründet. Wohnungseigentümer K habe gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch, dass ein "tauglicher" Verwalter bestellt werde und die anstehenden Verwaltungsaufgaben geregelt werden. Ohne einen Verwalter werde die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gefährdet, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG grundsätzlich vom Verwalter vertreten werde und bei einer Lagerbildung eine Gesamtvertretung nicht möglich sei. Zudem bestehe in Bezug auf die Reparatur einer Außenmauer sowie die Wartung einer Geothermieanlage ein dringender Regelungsbedarf. Diese Umstände würden reichen, um die Gefahr drohender Nachteile zu bejahen. K könne auch nicht warten. Ihm sei die mutmaßliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es erstens um die Frage, wer eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertritt, wenn diese von einem Wohnungseigentümer verklagt wird. Zum anderen geht es um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer ermächtigt werden kann, eine Versammlung einzuberufen.

Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Die WEG-Reform hat für die Wohnungseigentumsanlagen, bei denen kein Verwalter bestellt ist, nichts Besonderes angeordnet. Das WEG bestimmt weder, wie die Geschäftsführung, z. B. eine Beschlussdurchführung oder die Einberufung einer Versammlung, bei einer Gesamtvertretung funktionieren soll, noch zeigt es auf, wie man eine Gesamtvertretung nach außen organisiert. Es schweigt sich ferner dazu aus, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die nicht von allen Wohnungseigentümern vertreten werden kann, überhaupt prozessfähig ist.

Überblick:

  • Geschäftsführung: Wer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Geschäfte in einer verwalterlosen Gemeinschaft führt, ist unklar. Blickt man auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans oder einer Jahresabrechnung, wird man dies kaum den Wohnungseigentümern abverlangen können und erlauben müssen, dass diese einen Dritten beauftragen. Was ist aber mit der Beschlussdurchführung oder der Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen? Nur für die Versammlung kann § 24 Abs. 3 WEG etwas helfen, nämlich das Recht, beim Fehlen eines Verwalters die Versammlung durch den Verwaltungsbeirat oder einen dazu ermächtigten Wohnungseigentümer einzuberufen.
  • Vertretung: Die Vertretung bestimmt sich nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG. Es handelt sich um eine Gesamtvertretung. Daher ist fraglich, was gilt, wenn einer der Gesamtvertreter verhindert ist. Die Wohnungseigentümer haben keine Beschlusskompetenz, einen Wohnungseigentümer zur Alleinvertretung zu ermächtigen. Allerdings kann jeder Wohnungseigentümer sich individuell erklären.

Das LG meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer werde in einer verwalterlosen Wohnungseigentumsanlage von den Wohnungseigentümern vertreten, die ihr nicht als Prozessgegner gegenüberstünden (so auch LG Frankfurt a. M., Urteil v. 15.7.2021, 2-13 S 5/21, ZMR 2021 S. 833; Elzer, MDR 2021 S. 188, 190; a. A. AG Wiesbaden, Beschluss v. 4.5.2021, 91 C 944/21, ZMR 2021 S. 695; Lehmann-Richter/Wobst, NJW 2021 S. 662).

Ermächtigung zur Einberufung

Fehlt ein Verwalter oder weigert er sich pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann die Versammlung nach § 24 Abs. 3 WEG auch durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, dessen Vertreter oder einen durch Beschluss ermächtigten Wohnungseigentümer einberufen werden. Gibt es keinen Verwaltungsbeirat und haben die Wohnungseigentümer von ihrer Kompetenz, nach § 24 Abs. 3 WEG einen Wohnungseigentümer zu ermächtigen, keinen Gebrauch gemacht, kann ein Wohnungseigentümer nach §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 44 Abs. 1 Satz 2 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf eine Ermächtigung klagen. Das LG wägt hier ab, ob sich das Ermessen der Wohnungseigentümer auf Null reduziert hat.

6 Entscheidung

LG Landau, Beschluss v. 18.10.2021, 5 T 75/21

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