Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verwalter kann nur für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt werden. Die separate Bestellung von Verwaltern für Untergemeinschaften ist unwirksam.

2. Somit ist die Wohnungseigentümergemeinschaft verwalterlos, so dass sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten wird (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG n.F.).

3. Bei einer solchen Gesamtvertretung kann zwar die Klage an einen einzelnen Wohnungseigentümer wirksam zugestellt werden (§ 170 Abs. 3 ZPO), zu einer Prozessführung sind die übrigen Wohnungseigentümer hingegen nicht berechtigt, da die Wohnungseigentümer nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt sind und der Kläger an einer Mitwirkung der Vertretung auf Beklagtenseite ausgeschlossen ist.

4. Dies hat zur Folge, dass die Klage unzulässig ist, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mangels Aktivvertreter nicht prozessfähig i.S.d. § 52 ZPO ist.

5. In einem solchen Fall kann für die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 57 Abs. 1 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden, wenn die Verwirklichung der klägerischen Rechte ohne eine Pflegerbestellung ernstlich gefährdet ist, was bei einer Klage auf Ermächtigung zur Einladung zu einer Eigentümerversammlung zur Wahl eines Verwalters zu bejahen ist, da eine solche Klage der einzige Weg ist um wirksam einen Verwalter für die Wohnungseigentümergemeinschaft zu bestellen.

 

Normenkette

ZPO § 57; WEG vom 01.12.2020 § 9a; WEG vom 01.12.2020 § 9b; ZPO § 170 Abs. 3, § 52

 

Tenor

Frau Rechtsanwältin A wird zur Prozesspflegerin der Beklagten bestellt.

 

Gründe

Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft B in Wiesbaden. Der Kläger ist Eigentümer des Sondereigentums an einer Wohnung. Ein Verwaltungsbeirat wurde nicht bestellt. Das Anwesen besteht aus mehreren Gebäudekomplexen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus drei Untergemeinschaften. In der Vergangenheit wählte jede Untergemeinschaft einen eigenen Verwalter und wurde separat verwaltet. Anlässlich einer Wohnungsveräußerung, die gemäß § 45 der Gemeinschaftsordnung der Zustimmung des Verwalters bedarf, monierte das Grundbuchamt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Verwalter hat, der gemäß § 12 WEG einer Veräußerung wirksam zustimmen kann. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Ermächtigung zur Einberufung einer Eigentümerversammlung zur Wahl eines Verwalters für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft.

Auch wenn die Untergemeinschaften gemäß § 2a der Gemeinschaftsordnung weitestgehend selbständig sein sollen, gilt dies nur für das Innenverhältnis. Im Außenverhältnis besitzen solche Untergemeinschaften keine eigene rechtliche Existenz, so dass für Untergemeinschaften kein eigener Verwalter bestellt werden kann; nur für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Verwalter bestellt werden (s. Hügel/Elzer „WEG” 3. Aufl. 2021, § 9a Rdnr. 51 vgl. Bärmann „WEG” 14. Aufl. 2018, § 10 Rdnr. 26 m.w.Nachw.).

Somit ist die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft verwalterlos, so dass sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten wird (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG n.F.).

Bei dieser gesetzlich angeordneten Gesamtvertretung muss zwischen Aktiv- und Passivvertretung unterschieden werden (s. Lehmann-Richter/Wobst „WEG-Reform 2020” Kapitel 3 Rdnr. 244).

Hinsichtlich der Passivvertretung, also der Entgegennahme von Willenserklärungen oder Zustellungen sind die Wohnungseigentümer einzelvertretungsberechtigt (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 9b Rdnr. 22), so dass es gemäß § 170 Abs. 3 ZPO genügt, wenn die Zustellung an einen Wohnungseigentümer erfolgt (s. Lehmann-Richter/Wobst, a.a.O., Kapitel 18 Rdnr. 1903 vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021” Kapitel 14 Rdnr. 50). Daher konnte die Klage durch Zustellung an eine Wohnungseigentümerin wirksam zugestellt werden.

Zu einer weiteren Prozessführung sind die übrigen Wohnungseigentümer hingegen nicht berechtigt, da die Wohnungseigentümer gemäß § 9b Abs. 1 S. 2 WEG nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt sind und der Kläger an einer Mitwirkung der Vertretung auf Beklagtenseite ausgeschlossen ist (s. Lehmann-Richter/Wobst a.a.O. Kapitel 18 Rdnr. 1904).

Dies hat zur Folge, dass die Klage derzeit unzulässig ist, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mangels Aktivvertreter nicht prozessfähig i.S.d. § 52 ZPO ist (s. Lehmann-Richter/Wobst, a.a.O., Kapitel 3 Rdnr. 248).

Dieser Mangel kann nur durch die Bestellung eines Verwalters oder die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO behoben werden (s. Lehmann-Richter/Wobst a.a.O. Kapitel 18 Rdnr. 1905, so im Ergebnis auch Hogenschurz in „Münchener Kommentar zum BGB” Bd. 8a 8. Aufl. 2021 § 44 WEG Rdnr. 52).

Da im vorliegenden Fall niemand zu einer Eigentümerversammlung einladen kann, scheidet die Bestellung eines Verwalters durch die Eigentümer aus.

Ein Prozesspfleger kann auf Antrag bestellt werden, wenn eine prozessfähige Partei verklagt wird, die ohne gesetzlichen Vertreter ist und mit dem Verzug Gefahr verbunden ist (§ 57 Abs. 1 ZPO).

Da die die Wohnungseigentümergemeinscha...

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