Leitsatz

Die Klausel in einer Teilungserklärung, dass ein Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ausgeschlossen werden kann, ist nichtig. Wird ein Wohnungseigentümer zu Unrecht von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ausgeschlossen, sind die anschließend gefassten Beschlüsse per se anfechtbar, ohne dass es einer Prüfung der Kausalität des Ausschlusses bedürfte.

 

Fakten:

Vorliegend enthält die Teilungserklärung folgende Bestimmung: "Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen." Auf einer Eigentümerversammlung wurde insoweit nach deren Eröfnung zur Geschäfsordnung beschlossen, eine Wohnungseigentümerin von der Teilnahme auszuschließen. Diese hatte nun sämtliche Beschlüsse dieser Eigentümerversammlung angefochten. Mit Erfolg - der Geschäfsordnungsbeschluss war rechtswidrig. Er stellte eine erhebliche Rechtsverletzung dar und führte somit zur Ungültigkeit sämtlicher nachfolgend gefasster materieller Beschlüsse. Die diesem Geschäfsordnungsbeschluss zugrunde gelegte Regelung in der Teilungserklärung, wonach das Recht an der Teilnahme in der Eigentümerversammlung bei Verzug mit Hausgeldzahlungen von mehr als einem Monat entzogen werden kann, ist nichtig.

Grundsätzlich steht den Wohnungseigentümern bei der Vereinbarung ihrer Rechte und Pflichten eine rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit zu. Diese ist aber durch die unantastbaren Kernbereichsrechte der Mitgliedschaft einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschränkt. Die Vereinbarungen der Wohnungseigentümergemeinschaft unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 134, 138, 242 BGB und sind nicht schrankenlos. Die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer endet, wenn die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer zu stark ausgehöhlt wird. Der Wohnungseigentümer, dem bei Verzug der Hausgeldzahlungen neben dem Stimmrechtsentzug zudem die Teilnahme an der Eigentümerversammlung verwehrt wird, verliert sämtliche Kontroll- und Mitwirkungsmöglichkeiten in der Eigentümerversammlung. Auch höhlt eine solche Vereinbarung das mit dem Teilnahmerecht in funktionalem Zusammenhang stehende Beschlussanfechtungsrecht aus. Der Entzug des Teilnahmerechts und damit auch des Rede-, Frage- und Antragsrechts ist sittenwidrig und stellt eine unzulässige Verletzung der Rechte aus Art. 14 GG dar. Hinzu kam, dass auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss viel zu vage formuliert sind, da insoweit schon der Verzug mit "Beiträgen" ausreicht, ohne dass näher festgelegt ist, was konkret damit gemeint ist. Des Weiteren war auch kein Hinweis an den Säumigen in der Ladung zur Eigentümerversammlung vorgesehen, um diesen darauf aufmerksam zu machen, dass er in Rückstand ist und damit sein Ausschluss droht. Letztlich musste berücksichtigt werden, dass gerade auch der völlige Ausschluss von der Teilnahme zu weitgehend ist. Akzeptabel könnte allenfalls ein Ausschluss vom Stimmrecht sein.

 

Link zur Entscheidung

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.03.2010, 14 S 5126/09LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.3.2010 – 14 S 5126/09 – mit Revisionszulassung

Fazit:

Zwar führt ein fehlerhafer Geschäfsordnungsbeschluss grundsätzlich nur dann zur erfolgreichen Anfechtung der sonstigen in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, wenn sich der formelle Fehler auf die Beschlussfassung auswirkt. Dies gilt jedoch nicht im Falle eines schweren Eingrifs in den unantastbaren Kernbereich der Mitgliedschaft. Auf die hypothetische Kausalität kommt es nicht an, wenn - wie vorliegend - eine gravierende Rechtsverletzung erfolgt. Es muss ausreichend sein, dass die Beschlüsse gefasst worden sind, nachdem ein Wohnungseigentümer zu Unrecht ausgeschlossen wurde. Dies ist zur Sicherung der Rechte der Wohnungseigentümer unerlässlich. Nur so kann von vorneherein einem denkbaren Missbrauch des Ausschlusses begegnet werden.

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