Leitsatz

  1. Nichtige Vereinbarung über Teilnahmeausschluss eines Eigentümers von der Versammlung im Fall von Beitragsrückständen
  2. Keine konkludente Kostenverteilungsänderung
 

Normenkette

§§ 23, 24, 25 WEG; §§ 134, 138, 242 BGB; Art. 14 GG

 

Kommentar

  1. In der Teilungserklärung war geregelt: "Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen."
  2. Eine solche Vereinbarung ist nicht mehr von rechtsgeschäftlicher Gestaltungsfreiheit nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG gedeckt, da diese durch die unantastbaren Kernbereichsrechte der Mitglieder einer Gemeinschaft beschränkt ist. Die Regelung kann auch nicht als zulässiger "Verzicht" ausgelegt werden. Auch Vereinbarungen unterliegen der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 134, 138, 242 BGB, sind also nicht schrankenlos zulässig (vgl. BGH, WM 1987 S. 92). Eine Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer endet, wenn die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer zu stark ausgehöhlt wird.

    Bei der hier vorliegenden Vereinbarung ist die Grenze der Gestaltungsfreiheit überschritten. Ein Eigentümer, dem bei Verzug von Hausgeldzahlungen neben dem Stimmrechtsentzug zugleich die Teilnahme an der Eigentümerversammlung verwehrt wird, verliert sämtliche Kontroll- und Mitwirkungsmöglichkeiten in der Versammlung. Auch höhlt eine solche Vereinbarung das mit dem Teilnahmerecht in funktionalem Zusammenhang stehende Beschlussanfechtungsrecht nach § 43 Nr. 4 WEG aus (h.M.). Der Entzug des Teilnahmerechts und damit auch des Rede-, Frage- und Antragsrechts verstößt gegen § 138 BGB und ist auch eine unzulässige Verletzung der Grundrechte aus Art. 14 GG (ebenfalls h.M.). Vorliegend kommt noch hinzu, dass auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss viel zu vage sind; nach dieser Vereinbarung reicht schon der Verzug von "Beiträgen" aus, ohne dass näher festgelegt ist, was konkret damit gemeint ist. Reicht ein Beitragsrückstand von einem Monat aus, genügt schon ein Rückstand mit einem Teil einer monatlichen Verpflichtung, oder müssen es mindestens 2 volle Monatsrückstände sein? Schließlich ist auch kein Hinweis an einen Säumigen in der Ladung zur Versammlung vorgesehen, um diesen darauf aufmerksam zu machen, dass er in Rückstand ist und damit sein Ausschluss droht. Gerade auch der völlige Ausschluss von der Teilnahme an Versammlungen ist viel zu weitgehend; akzeptabel könnte allenfalls ein Ausschluss vom Stimmrecht sein.

  3. Auch ein entsprechender Geschäftsordnungsbeschluss ist nichtig und führt zu erfolgreicher Anfechtung von Folgebeschlüssen, die nicht selbst von Nichtigkeitsgründen geprägt sind. Auch Kausalitätsüberlegungen scheiden insoweit aus, wenn es um einen schweren Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte geht, wenn also von einer gravierenden Rechtsverletzung auszugehen ist. Erfolgreich sind deshalb auch Beschlüsse anfechtbar, wenn ein Eigentümer zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen wurde; dies ist zur Sicherung der Rechte der Wohnungseigentümer unerlässlich, um von vornherein einen denkbaren Missbrauch eines Ausschlusses zu verhindern.
  4. Die Versammlung kann auch ein langjährig zuständiger Sachbearbeiter einer Verwaltung leiten.
  5. Eine Änderung des in der Teilungserklärung festgelegten Kostenverteilungsschlüssels kann auch nicht durch konkludente Vereinbarung aufgrund langjähriger Übung erfolgen. Von einer solchen konkludenten Abänderung kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn sämtliche Eigentümer einen Verstoß gegen Vereinbarungen nicht nur dulden, sondern eine jahrelange Praxis in dem Bewusstsein ausüben, die bisherige Regelung ändern und durch eine neue ersetzen zu wollen (vgl. OLG München, ZMR 2006 S. 955); dies war vorliegend nicht der Fall, da die streitgegenständlichen Beschlüsse nicht einstimmig gefasst wurden und es wegen Abweichungen von Kostenverteilungsregelungen in der Teilungserklärung mehrfach in der Vergangenheit bereits zu Anfechtungsklagen kam. Insoweit kann auch nicht von einer konkludenten Beschlussfassung nach § 16 Abs. 3 WEG gesprochen werden, da sich diese Vorschrift nur auf die Betriebskosten des Sondereigentums, nicht auf die hier streitgegenständliche Kostenverteilung nach Abrechnungsgruppen bezieht.
 

Link zur Entscheidung

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.03.2010, 14 S 5126/09

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