Leitsatz

Eigentümergemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss primäre Gewährleistungsansprüche gegen einen Verkäufer "an sich ziehen", auch wenn nur einem Mitglied der Gemeinschaft vertragliche Ansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zustehen sollten

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

 

Kommentar

  1. Im vorliegenden Fall verkaufte der Beklagte nach Teilung "gebrauchte Wohnungen" mit unterschiedlichen werkvertraglichen Verpflichtungen an diverse Käufer. Aufgrund eingetretener Wasserschäden am Gemeinschaftseigentum fasste die Gemeinschaft den Beschluss, nach Kaufvertragsregelung eines Eigentümers Gewährleistungsansprüche "an sich zu ziehen" und auch im eigenen Namen geltend zu machen.
  2. Auch diese Ansprüche auf ordnungsgemäße "Herstellung des Gemeinschaftseigentums" erfassen Erfüllungs-, Nacherfüllungs- und primäre Mängelrechte der Eigentümer; deren Ausübung können Eigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3, 2. Alternative i. V. m. § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaft übertragen (h.M., vgl. auch BGHZ 172 S. 42, 47 m.w.N.). Auch die Beseitigung anfänglicher Mängel des Gemeinschaftseigentums berührt die Interessen aller Eigentümer in gleicher Weise wie die Behebung von Mängeln, die erst später – etwa nach Ablauf der Gewährleistungsfrist – auftreten. Die Mängelbehebung fällt damit in den gemeinschaftlichen Verantwortungs- und Kompetenzbereich der Mitglieder einer (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft, die sowohl vor Eintritt von "Nachzüglern" als auch etwaigem Ausscheiden von Erwerbern für die ordnungsgemäße Errichtung der Anlage/des Gemeinschaftseigentums verantwortlich ist. Zwar bleiben auch die der Gemeinschaft noch nicht angehörenden oder wieder ausgeschiedenen Erwerber Inhaber ihrer vertraglichen Rechte; es fehlt ihnen jedoch die Ausübungsbefugnis, soweit sie ihre Ansprüche auch in der Gemeinschaft nicht allein hätten durchsetzen können; die Befugnis der Gemeinschaft überlagert auch in derartigen Konstellationen die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des einzelnen Eigentümers. Die der Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft korrespondierende Einschränkung einzelner Wohnungseigentümer in der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte ist bereits den jeweiligen Erwerbsverträgen immanent (h.M.); Kaufvertragsverhältnisse werden bereits mit dieser Einschränkung begründet.

    Die gemeinschaftliche Verantwortung besteht auch unabhängig davon, wie vielen Wohnungseigentümern Ansprüche auf Herstellung eines vertragsgerechten Zustands zustehen. Grundsätzlich dürfen Mängelbeseitigungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum auch später nur mit Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommen werden; es ist auch Sache der Eigentümer, darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind.

  3. Es entspricht damit auch ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn noch bestehende Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Gemeinschaft zur Ausübung übertragen werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz lagen hier nicht vor.
  4. Die Gemeinschaft handelt im vorliegenden Fall nach beschlossener Übertragung und Durchsetzung der Ansprüche verfahrensrechtlich in gesetzlicher Prozessstandschaft mit bestehender Beschlusskompetenz.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 15.01.2010, V ZR 80/09BGH, Urteil v. 15.01.2010, V ZR 80/09

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