Leitsatz

  1. Minderungsansprüche oder Ansprüche auf kleinen Schadensersatz wegen anfänglicher Baumängel am Gemeinschaftseigentum sind gemeinschaftsbezogen (Beschlussfassung als Voraussetzung einer Klagebefugnis)
  2. Keine Individualität dieser Ansprüche auch bei unzureichender Trittschalldämmung mit Auswirkung auf das Sondereigentum
 

Normenkette

§§ 634, 635 BGB a. F.; § 5 WEG

 

Kommentar

  1. Einem Wohnungseigentümer fehlt für die Geltendmachung von Minderungs- und kleinen Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Bauunternehmer die Prozessführungsbefugnis auch dann, wenn sich die Baumängel – wie unzureichende Trittschalldämmung – auf sein Sondereigentum auswirken können. Diese Ansprüche sind nämlich nach der Rechtsprechung des BGH (seit dem Urteil v. 10.5.1979, ZMR 1980, 54, 58) ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen und lassen ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen Eigentümers ohne entsprechende Ermächtigungsbeschlussfassung nicht zu. Die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Gewährleistungsrechte fällt von vornherein allein in die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft; nur sie allein kann auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung dieser Rechte schaffen sowie die Wahl zwischen ihnen treffen. Besondere Umstände, unter denen ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich (Abgrenzung zu BGH, ZMR 1990, 227, 229).
  2. Diese Grundsätze nach verfestigter Rechtsprechung des BGH gelten auch für entsprechende Ansprüche wegen fehlerhafter Architektenleistungen.
  3. Verhalten sich die Miteigentümer nicht kooperationsbereit, muss ein geschädigter Kläger durch eigenes Streitverfahren nach WEG für die notwendige gemeinschaftsinterne Klärung sorgen.
Anmerkung

Aktivlegitimation für die alternativen Gewährleistungsrechte Minderung und (kleiner) Schadensersatz besitzt nach verfestigter Rechtsprechung des BGH grds. die Gesamtgemeinschaft aufgrund der Gemeinschaftsbezogenheit dieser alternativen Gewährleistungsrechte. Allerdings hätte sich das OLG Frankfurt gerade im Fall von Trittschallmängeln aufgrund offensichtlich fehlerhafter Dämmmaßnahmen an Trennwänden, Decken und Fußböden m.E. etwas näher mit einer früheren Ausnahmeentscheidung des BGH zu den sog. Ausstrahlungsmängeln beschäftigen müssen. Insoweit hatte der BGH nämlich seinerzeit auch im Anschluss an differenzierende Grundsatzentscheidungen zwischen primären und sekundären Gewährleistungsrechten die individuelle Aktivlegitimation (Klagebefugnis) eines einzelnen Eigentümers bezüglich sog. Ausstrahlungsmängel bejaht. Gerade Schallmängel aufgrund im Gemeinschaftseigentum gelegener Baufehler können sich recht unterschiedlich und u .U. nur auf ein einzelnes Sondereigentum nachhaltig störend auswirken (häufig z. B. bei fehlerhafter Wandaufhängung gemeinschaftlicher Treppen). Ist hier von einer (Trittschallübertragungs-)Störung vielleicht nur eines einzigen Eigentümers auszugehen (Ausstrahlung in sein Wohnungseigentum), hat eine Gesamtgemeinschaft oftmals wenig Interesse, im Rahmen ordnungsgemäßer Instandsetzung meist zeit- und kostenaufwendig Gewährleistungsansprüche mit Nachdruck zu verfolgen. Allerdings kann in einem solchen Fall der einzelne Eigentümer oft keine primären Gewährleistungsansprüche mit Erfolgsaussicht geltend machen, wenn hier Leistungen durch einen Gewährleistungsschuldner unmöglich oder für ihn unzumutbar sein sollten. Gerade in diesen Fällen sich ggf. nur individuell auswirkender Schallmängel sollte eine Individualität eines möglichen Minderungs- oder kleinen Schadensersatzanspruchs im Hinblick auf die angedeutete Ausnahmeentscheidung des BGH wieder mehr als bisher ins Blickfeld rücken. Erst über ein separates WEG-Verfahren eine Gemeinschaft zum Handeln zu zwingen, erscheint mir als ein rechtlich sicher konsequenter Lösungsweg. Dies ist jedoch sehr umständlich, überdies aus Sicht eines betroffenen Eigentümers oftmals recht zeit- und kostenaufwendig. Zu bedenken ist insoweit auch das Risiko, dass Gewährleistungsansprüche vielleicht während eines "vorzuschaltenden" Streits gegen die Gemeinschaft verjähren können. Wenn nun im WEG-Streit der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft nach vielleicht dort bereits erfolgter Mängelbegutachtung (Verfolgung der Ansprüche als verpflichtende ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme?) obsiegt und anschließend nach Rechtskraft der WE-Entscheidung die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den ursprünglichen Gewährleistungsschuldner etwa wegen Verjährung nicht mehr möglich ist, könnten sich rechtlich sicher sehr schwierige Schadensersatzkonstellationen im Innenverhältnis einer sich zuvor zu Unrecht passiv verhaltenden Gemeinschaft ergeben.

 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt a.M. v. 30.5.2008, 25 U 129/07, ZMR 2009, 215

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