Leitsatz

Das Thüringer OLG hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob Einkommen des ein sieben Jahre altes Kind betreuenden Elternteils aus Vollzeittätigkeit überobligatorisch und bei der Unterhaltsbemessung daher nur teilweise zu berücksichtigen ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten am 14.3.2000 geheiratet und lebten seit Oktober 2007 getrennt. Aus der Ehe war ein im August 2000 geborener Sohn hervorgegangen. Der Ehemann war ggü. einem weiteren im Jahre 1993 geborenen Kind unterhaltspflichtig.

Der Kläger war für den Textilvertrieb tätig, die Beklagte als angestellte Architektin.

Der Kläger begehrte Trennungsunterhalt für den Zeitraum ab Oktober 2007.

Erstinstanzlich wurde die Beklagte verurteilt, Trennungsunterhalt ab Oktober 2007 in unterschiedlicher Höhe, zuletzt 105,00 EUR monatlich ab Juli 2008 zu zahlen.

Bei der Unterhaltsbemessung ging das AG aufseiten des Klägers von einem monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 834,00 EUR aus. Bei diesem Betrag waren die von ihm erbrachten Unterhaltsleistungen für seine im Jahre 1993 geborene Tochter i.H.v. 160,00 EUR monatlich bereits berücksichtigt.

Aufseiten der Beklagten ging das erstinstanzliche Gericht von einem Nettoeinkommen i.H.v. 2.450,00 EUR aus. Hiervon sei ein Betrag i.H.v. 294,00 EUR als von der Beklagten geleisteter Barunterhalt für den gemeinsamen Sohn abzusetzen, da dem Kläger die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht ihm ggü. nicht ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts möglich sei. Von dem verbleibenden Nettoeinkommen der Beklagten sei ein Betreuungsbonus in Abzug zu bringen, da sie die Betreuung des gemeinsamen Sohnes neben ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit leiste. Das erstinstanzliche Gericht hielt insoweit die Kürzung des Nettoeinkommens der Beklagten um insgesamt 50 % unter Wertungsgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalls für angemessen.

Der Kläger beantragte für die von ihm beabsichtigte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Prozesskostenhilfe. Seinem Antrag wurde in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen Umfang entsprochen.

 

Entscheidung

Anders als das erstinstanzliche Gericht ging das OLG nicht davon aus, dass der Beklagten die Hälfte des von ihr erzielten Einkommens anrechnungsfrei zu verbleiben habe.

§ 1577 Abs. 2 BGB beinhalte eine Spezialregelung für die Anrechnung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit des Bedürftigen beim nachehelichen Unterhalt. Diese Regelung werde auch auf den Trennungsunterhalt angewandt (BGH FamRZ 1983, 146).

Bei der rechtlichen Bewertung der Tätigkeit der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass seit dem 1.1.2008 eine Änderung im Unterhaltsrecht eingetreten sei, welche die Eigenverantwortung der Ehegatten betone. Dem geschiedenen und Kinder betreuenden Ehegatten werde gemäß §§ 1569, 1570 BGB ein uneingeschränkter Anspruch auf Unterhalt nur zugestanden, solange ein Kind unter drei Jahren betreut werde. Für die Verlängerung eines Unterhaltsanspruchs sei eine Billigkeitsabwägung aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu treffen, wozu insbesondere die konkreten Belange des Kindes gehörten, aber auch die Verteilung der Aufgaben in der Ehe sowie die Erwerbsbiografien der Partner. Hierzu müsse der Ehepartner, der gemeinsame Kinder betreue, alle maßgeblichen Umstände darlegen und ggf. beweisen. Entsprechendes gelte im umgekehrten Fall, wenn - wie hier - in Frage stehe, ob der auf Unterhalt in Anspruch genommene Ehegatte neben der Kinderbetreuung überobligationsmäßige Einkünfte erziele. Hierzu fehlte es nach Auffassung des OLG an substantiiertem Vortrag der Beklagten.

Nach der ab dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage werde man regelmäßig bei Berufstätigkeit und Kinderbetreuung von einer überobligatorischen Tätigkeit ausgehen, wenn das Kind das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Vorverlagerung des Beginns der Berufstätigkeit entspreche den geänderten realen Verhältnissen mit dem ab Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes garantierten Kindergartenplatz und der in letzten Jahrzehnten erfolgten gesellschaftlichen Veränderung mit einem früheren Einstieg in das Berufsleben trotz Kinderbetreuung.

Für die Zeit vor dem 1.1.2008 ging das OLG davon aus, dass die Tatsache der vollen Berufstätigkeit neben der Betreuung eines Kindes zwar dafür spreche, dass ein guter Teil der Tätigkeit der Beklagten überobligationsmäßig sein könne. Andererseits deute im vorliegenden Fall die Fortsetzung einer bereits während intakter Ehe im selben Umfang ausgeübten Tätigkeit darauf hin, dass diese als zumutbar anzusehen sei (BGHZ 162, 384; BGH, FamRZ 1998, 145; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 150; OLG Brandenburg, 9 WF 356/08, Quelle: www.juris.de).

Allerdings seien die Kinderbetreuungskosten abzugsfähig, die zur Ausübung einer Berufstätigkeit erforderlich seien und in angemessenem Rahmen geltend gemacht würden (Wendl/Staudigl/Gerhardt, a.a.O., § 1 Rz. 605).

 

Link zur Entscheidung

Thüringer OLG, Beschluss vom 08.06.2009, 1 UF 424/08

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