Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegattenunterhalt: Berücksichtigung von Einkommen aus Vollzeittätigkeit des Ehegatten, der ein sieben Jahre altes Kind betreut. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der ab dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Einkommen aus Vollzeittätigkeit eines Ehegatten, der ein sieben Jahre altes Kind betreut, überobligatorisch ist.

2. Allerdings sind die Kinderbetreuungskosen abzugsfähig, die zur Ausübung einer Berufstätigkeit erforderlich sind und in angemessenem Rahmen geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BGB §§ 1361, 1577 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Erfurt (Urteil vom 18.11.2008; Aktenzeichen 35 F 123/08)

 

Tenor

I. Dem Kläger wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in E., bewilligt, soweit er beantragt, die Beklagte in Abänderung des am 18.11.2008 verkündeten Urteils des AG - Familiengericht - Erfurt, Az. 35 F 123/08, zu verurteilen an ihn einen monatlichen Ehegattenunterhalt

  • vom 1.10. bis 30.11.2007 i.H.v. 364 EUR,
  • vom 1.12.2007 bis 31.1.2008 i.H.v. 522 EUR,
  • vom 1.02. bis 31.5.2008 i.H.v. 352 EUR,
  • für Juni 2008 i.H.v. 219 EUR,
  • vom 1.07. bis 31.12.2008 i.H.v. 389 EUR und
  • ab dem 1.1.2009 i.H.v. 391 EUR zu zahlen.

II. Im Übrigen wird dem Kläger Prozesskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am 14.3.2000 die Ehe geschlossen. Seit Oktober 2007 leben die Parteien getrennt. Aus der Ehe der Parteien ist der gemeinsamen Sohn T. L., geboren am 19.8.2000, hervorgegangen. Der Kläger ist gegenüber einem weiteren Kind, der am 30.6.1993 geborenen J. D., unterhaltspflichtig.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Trennungsunterhalt für den Zeitraum ab Oktober 2007 sowie Rückzahlung eines Kautionsbetrages für die ehemalige Ehewohnung.

Der Kläger ist für den Textilvertrieb tätig; die Beklagte ist angestellte Architektin.

Das AG hat durch Urteil vom 18.11.2008 den Kläger verurteilt, Trennungsunterhalt für den Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich Januar 2008 i.H.v. 908 EUR zzgl. Zinsen, für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Mai 2008 i.H.v. monatlich 179 EUR, für den Zeitraum ab Juli 2008 i.H.v. monatlich 105 EUR und weitere 377,22 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Das AG hat zur Begründung ausgeführt, das für die Unterhaltsberechnung des Klägers relevante Nettoeinkommen betrage 834 EUR. Zugrunde zu legen sei das von den Parteien unstreitig gestellte Nettoeinkommen i.H.v. 930 EUR. Ein weitergehendes Einkommen des Klägers insbesondere aus Provisionseinkünften bestehe nicht. Der Kläger habe hierzu substantiiert durch Vorlage der Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 5.9.2008 vorgetragen, dass er keine Provisionszahlungen erhalte.

Von dem Nettoeinkommen i.H.v. 930 EUR sei die monatliche Kreditrate i.H.v. 96,30 EUR in Abzug zu bringen, die der Kläger zur Finanzierung seiner anlässlich der Trennung erworbenen Möbel eingegangen sei. Es handele sich um berücksichtigungswürdige Schulden, da bei der Neubegründung eines Haushaltes regelmäßig Anschaffungskosten anfielen und der vom Kläger investierte Betrag von 2159 EUR nicht von vorn herein unangemessen erscheine.

Es ergebe sich ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 834 EUR. Dabei seien die vom Kläger erbrachten Unterhaltsleistungen für seine Tochter J. D. i.H.v. 160 EUR monatlich berücksichtigt.

Bei der Beklagten sei von einem Nettoeinkommen i.H.v. 2450 EUR auszugehen. Die Steuerrückerstattungen vom 22.11.2007 und 25.1.2008 seien nicht einkommenserhöhend zur berücksichtigen. Maßgebend sei die von der Beklagten vorgelegte fiktive Steuerberechnung, da die darin berücksichtigten Änderungen für die Zukunft feststehen.

Weiter in Abzug zu bringen sei ein Betrag i.H.v. 294 EUR als von der Beklagten geleisteter Barunterhalt für T. L., da dem Kläger die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht nicht ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts möglich sei.

Von dem sich ergebenden Nettoeinkommen der Beklagten i.H.v. 2156 EUR (2450 EUR abzgl. 294 EUR) sei ein Betreuungsbonus in Abzug zu bringen, da die Beklagte die Betreuung von T. L. neben ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit leiste. Das Gericht erachte insoweit die Kürzung des Nettoeinkommens um insgesamt 50 % unter Wertungsgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles für angemessen.

Auf die vor der Unterhaltsreform maßgebende Abgrenzung, ob es sich bei einer Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung um eine überobligatorische Tätigkeit handele, komme es nach dem neuen Unterhaltsrecht nicht mehr maßgebend an. Der Betreuungsbonus diene dazu, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei der vom neuen Recht zugrunde gelegten Pflicht zur Erwerbstätigkeit trotz minderjähriger Kinder der betreuende Elternteil unter einer Doppelbelastung stehe. Der erhöhte Aufwand, der durch eine Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung gegenüber einer Berufstätigkeit ohne Kinderbetreuung entstehe, werde in den meisten Fällen nicht in vollem Umfange durch die Berücksichtigung der konkreten Betreuungskosten abgefangen. Er müss...

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