§ 1577 Abs. 2 BGB normiert eine Ausnahme von der Anrechnung eigener Einkünfte in zwei Fallvarianten.

Dabei unterscheidet die Vorschrift danach, ob der Unterhaltsverpflichtete den vollen Unterhalt leisten kann oder ob sich zwischen dem vollen Unterhalt – damit ist der Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemeint – und dem tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag eine Differenz ergibt. § 1572 Abs. 2 Satz 1 BGB stellt auf den Fall ab, dass der Berechtigte nicht den vollen Unterhalt leisten kann.

Hier hat der BGH[727] klargestellt, dass insoweit Abs. 2 nur für alle überobligationsmäßigen Einkünfte gilt, soweit diese durch die Leistungsbeschränkung des Unterhaltsverpflichteten bedingt sind.

Abs. 2 Satz 2 dagegen kommt in Betracht, wenn der volle Unterhalt geleistet wird, gleichwohl aber Einkünfte des Berechtigten zur Anrechnung stehen, die auf einer überobligationsmäßigen Anstrengung des Unterhaltsberechtigten beruhen.

[727] BGH, FamRZ 1983, 146.

1.1 Unzumutbarkeit der Anrechnung nach Abs. 2 Satz 1

Kann der Unterhaltsverpflichtete aufgrund der Einschränkungen des § 1581 BGB nicht den vollen Unterhalt leisten, können Einkünfte des Berechtigten in dieser Höhe nicht zur Anrechnung gelangen.

Dies kommt in erster Linie in Betracht, wenn ein ungedeckter Mehrbedarf des Unterhaltsberechtigten besteht oder vom Quotenunterhalt Abzugspositionen zu machen sind. Durch die Neubestimmung des § 1578 BGB in der jüngsten Rechtsprechung des BGH sind die praktischen Anwendungsfälle der Bestimmung des § 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB nur noch äußerst gering.

1.2 Kriterien der Billigkeitsanrechnung

Hier ist in erster Linie darauf abzustellen, unter welchen Umständen der Berechtigte Einkommen erzielt.

Betreut der unterhaltsberechtigte Ehegatte gemeinsame Kinder und geht er, obwohl ihn eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit nicht trifft, einer Ganztagstätigkeit nach, ist dieses Einkommen teilweise oder ganz überobligatorisch und kann deshalb nicht zur Anrechnung gelangen.

Allerdings ist die Behandlung dieser überobligatorischen Einkünfte in der Rechtsprechung uneinheitlich. Zum Teil wird eine Vollanrechnung der Einkünfte unter gleichzeitigem Abzug von Betreuungskosten befürwortet.[728] Zum Teil werden auch die Betreuungskosten bereits beim anrechnungsfreien Einkommen zum Abzug gebracht.[729]

Soweit teilweise ein pauschaler Betreuungsbonus gewährt wird, steht dies nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH.[730]

[728] OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 685.
[729] OLG Koblenz, FamRZ 2000, 288.

1.3 Maßstab der Billigkeitsabwägung

Im Regelfall werden überobligatorische Einkünfte im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu 50 % angerechnet.

Auch hier hat der BGH[731] darauf hingewiesen, dass bei der erforderlichen Billigkeitsabwägung jede Schematisierung zu vermeiden ist. Auch könne nur in ganz seltenen Ausnahmefällen die Beurteilung der überobligatorischen Tätigkeit nach Billigkeitsgesichtspunkten zu einer völligen Anrechnungsfreiheit gelangen.[732]

[731] BGH, FamRZ 1995, 343.
[732] vgl. insoweit auch OLG Hamm, OLG-Report 1996, 264 = FamRZ 1997, 886; zur Anrechnung von lediglich 1/3 vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 560.

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