Die Bemessung des Ehegattenunterhalts (siehe auch Abschnitt D.II.) folgt grundsätzlich dem aus dem Wesen der Ehe herrührenden Halbteilungsgrundsatz.[69] Allerdings lässt der BGH eine Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz in den Fällen zu, in denen ein Ehegatte sein Einkommen aus Erwerbseinkünften bezieht.[70] Diese Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz will der BGH dadurch verwirklicht sehen, dass ein Teil des Einkommens dem erwerbstätigen Ehegatten für den Unterhalt anrechnungsfrei verbleibt.

Von welchem Einkommen der Erwerbstätigenbonus abzuziehen ist, war in der unterhaltsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung lange Zeit streitig.[71]

Der BGH hat in seiner Entscheidung v. 16.4.1997[72] ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erwerbstätigenbonus aus dem verteilungsfähigen Einkommen errechnet werden muss. Unter verteilungsfähigem Einkommen versteht der BGH in diesem Zusammenhang das Einkommen, das den Ehegatten nach Vorwegabzug ihrer Verbindlichkeiten Dritten gegenüber, wozu vor allem auch der Kindesunterhalt gehört, noch zum unterhaltsrechtlichen Verbrauch zur Verfügung steht.

[69] BGH, FamRZ 1988, 265.
[70] BGH, FamRZ 1990, 1090; BGH, FamRZ 1990, 1085.
[71] vgl. nur Wendig/Staudigl, 4. Aufl., § 4 Rn. 404: Hier werden nicht weniger als 4 verschiedene Berechnungsweisen zur Ermittlung des Erwerbstätigenbonus vorgeschlagen.
[72] BGH, FamRZ 1997, 806.

1.1 Abzug des Kindesunterhalts

Nur beim Ehegattenunterhalt stellt der Kindesunterhalt eine Abzugsposition dar, die wohl mit der überwiegenden Meinung seit 1.1.2008 auf den Zahlbetrag des Kindesunterhalts zu begrenzen ist. Für einen Abzug des Tabellenbetrags fehlt es nach der ausdrücklichen Auffassung des Gesetzgebers, das Kindergeld sei bedarfsdeckend zum Ansatz zu bringen[73], an einer Rechtfertigung. Auch der BGH hat sich bereits vor dem Inkrafttreten des UÄndG 2007 für eine bedarfsdeckende Anrechnung des Kindergeldes in allen Fällen ausgesprochen.[74]

Soweit das Einkommen des Unterhaltsschuldners aus verschiedenen Einkommensquellen gespeist wird, schlägt ein Teil der obergerichtlichen Judikatur[75] einen nur anteiligen Abzug des Kindesunterhalts vom Erwerbseinkommen vor.

Hat z.B. der Unterhaltsschuldner ein Erwerbseinkommen in Höhe von bereinigt 3.000,00 EUR und darüber hinaus bereinigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.000,00 EUR würde sich der Erwerbstätigenbonus dergestalt berechnen, dass der geleistete Kindesunterhalt vom Erwerbseinkommen lediglich zu ¾ abgezogen wird, da dies insoweit den Anteil des Gesamteinkommens unter Bemessung des Kindesunterhalts darstellt.

[73] vgl. BT-Drs. 16/1830, S. 30.

1.2 Abzug von Verbindlichkeiten

Vor der Bemessung des Erwerbstätigenbonus müssen auch eheprägende Verbindlichkeiten zum Abzug gebracht werden.

In welchem Umfang Kreditverbindlichkeiten bei der Unterhaltsbemessung einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, lässt sich nach Auffassung des BGH[76] nicht generell und nach bestimmten, ausnahmslos gültigen Grundsätzen beurteilen, sondern hängt in mehrfacher Hinsicht von den Umständen des Einzelfalls ab. In Fällen, in denen die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsverpflichteten zu beurteilen war, hat der BGH mehrfach den Standpunkt eingenommen, dass zwischen berücksichtigungswürdigen und anderen Verbindlichkeiten zu unterscheiden ist.[77] Da jede Rechtsposition unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben stehe, könne sich der Unterhaltspflichtige nicht auf Verbindlichkeiten berufen, die er ohne verständigen Grund eingegangen ist. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung nach billigem Ermessen. Bedeutsame Umstände sind dabei insbesondere der Zweck der Verbindlichkeiten sowie der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung.

Die Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung verwehrt es dem Unterhaltsschuldner in der Regel, sich auf eine infolge von Verbindlichkeiten eingetretene Verminderung seiner Leistungsfähigkeit zu berufen, es sei denn, deren Eingehung ist notwendig und unausweichlich gewesen.[78] Dies gilt insbesondere, wenn dazu bei Berücksichtigung der Kreditraten ein so großer Teil des Einkommens des Unterhaltspflichtigen aufgezehrt würde, dass für den in beengten Verhältnissen lebenden Unterhaltsberechtigten kaum noch Unterhalt bliebe.[79] Wenn der Unterhaltspflichtige Rentner ist und deswegen einen PKW beruflich nicht benötigt, müssen schon außerordentlich schwerwiegende Umstände vorliegen, um die Berücksichtigung der Anschaffungskosten für einen Wagen zu rechtfertigen.[80]

Rühren allerdings die Schulden aus der gemeinsamen Lebensführung zur Zeit des Zusammenlebens der Eheleute her, so sind sie grundsätzlich zu berücksichtigen.[81] Dabei spielt es bei einverständlich begründeten und verwendeten Verbindlichkeiten keine Rolle, auf welchen Namen sie eingegangen sind und wer von ihnen profitiert hat.[82]

Nimmt nur ein Ehegatte ohne Wissen und Billigung die Verbindlichkeiten auf und ist auch unklar, wofür die Darlehensmittel verwendet wurden, wird eine Berücksichtigung unterbleiben müssen.

Die Darlegungs- und Beweis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge