Leitsatz

Stirbt ein Ehegatte während eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens, lässt die abstrakte Möglichkeit, dass die Ehegatten sich bis zur Rechtskraft eines Scheidungsurteils wieder hätten versöhnen können, die Voraussetzungen des § 1933 Abs. 1 BGB (Erbausschluss) nicht entfallen.

 

Sachverhalt

Der Ehemann hatte im November 2008 die Scheidung eingereicht und als Trennungszeitpunkt September 2007 angegeben. Die Ehefrau hatte dem Scheidungsantrag zu­­gestimmt und die Ehe ihrerseits ebenfalls für gescheitert erklärt. Später legte sie sogar mit einem eigenen Scheidungsantrag nach. Noch vor dem mündlichen Verhandlungstermin im Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht verstarb der (Noch-)Ehemann im Juni 2009.

Daraufhin wollte die Ehefrau von Scheidung offenbar nichts mehr wissen und beantragte einen auf sie und den gemeinsamen Sohn lautenden gemeinschaftlichen Erbschein. Diesen verweigerte ihr das Nachlassgericht mit der Begründung, dass ihr Ehegattenerbrecht nach § 1933 BGB ausgeschlossen sei. Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe seien gegeben gewesen und der Erblasser habe die Scheidung be­­­antragt. Die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB für das Scheitern der Ehe liege eben­­falls vor, da die Eheleute seit einem Jahr getrennt lebten und beide die Scheidung beantragt hätten. Soweit sie nun plötzlich vortrage, sie sei nicht von einer endgültigen Zerrüttung der Ehe ausgegangen und habe sogar eine Versöhnung für denkbar ge­­halten, stehe dies im direkten Widerspruch zu ihren Angaben im Scheidungsverfahren. Die Frau legte Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss ein. Zur Begründung führte sie aus, die Zerrüttung der Ehe mit dem Erblasser sei nicht festgestellt, außerdem sei das Trennungsjahr noch gar nicht abgelaufen, da die Trennung tatsächlich erst im August 2008 mit ihren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung vollzogen worden sei. Außerdem ließ sie sich vom gemeinsamen Sohn "bescheinigen", dass die Eltern noch im August 2008 einen gemeinsamen Urlaub verbracht hätten und es erst danach zur endgültigen Trennung gekommen sei.

Das OLG Rostock wertete dies als Schutzbehauptung und wies die Beschwerde zu­­rück. Das Gericht sah die Scheidungsvoraussetzungen gleichfalls als gegeben an. Das Scheidungsverfahren sei zum Zeitpunkt des Erbfalls auch noch rechtshängig gewesen, da keiner der Eheleute seinen Antrag zurückgenommen hatte. Die lediglich theoretische Möglichkeit einer Versöhnung vor Rechtskraft der Scheidung hindere den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht, genauso wenig wie die ebenfalls rein abstrakte Möglichkeit des überlebenden Ehegatten, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht noch den Scheidungsantrag zurückzunehmen oder die Zustimmung zu widerrufen.

Dem Vorbringen der Ehefrau zum "wirklichen" Trennungszeitpunkt und zum angeblich zuvor gemeinsam verbrachten Urlaub schenkte das Gericht augenscheinlich keinen Glauben, zumal diese Aussagen im krassen Widerspruch zu den zu Lebzeiten des Mannes gemachten Angaben im Scheidungsverfahren standen, als es zumindest objektiv tatsächlich noch die Chance zu einer Versöhnung gegeben hatte.

Vielmehr vermutete das OLG eine andere Motivlage der Frau: Hinsichtlich des ihr zustehenden Zugewinnausgleichsanspruchs wäre es für sie einfacher (und lukrativer) gewesen, Miterbin zu sein und damit ein um ¼ erhöhtes Erbteil zu erhalten (§ 1371 Abs. 1 BGB), statt einen güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch gegen den Erben, ihren Sohn, geltend zu machen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass beide Eheleute für das Scheidungsverfahren immerhin schon Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt bekommen hatten, konnte sich das Gericht am Ende auch den Hinweis nicht verkneifen, dass ihr Verhalten, wenn zu diesem Zeitpunkt gar keine Trennungsabsicht mehr bestand, wohl sogar strafrechtlich relevant wäre.

 

Hinweis

Zwar liegt die Beweislast für die Voraussetzungen der Erbauschließung des Ehegatten grundsätzliche bei demjenigen (Miterben), der sich darauf beruft. Das hatte der Sohn als weiterer Erbe hier gerade nicht getan. Diesen Einwand wischte das Gericht indes beiseite: Wenn das Nachlassgericht ausreichende Anhaltspunkte für eine Erbausschließung habe, könne es von Amts wegen die zur Feststellung des Erbrechts erforderlichen erscheinenden Ermittlungen vornehmen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss v. 27.4.2010, 3 W 104/09.

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