Leitsatz

  1. Die 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet, eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Art. 2 und 4 dieser Richtlinie ausübt, so dass er die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen hat und daher gemäß Art. 17 der Sechsten Richtlinie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
  2. Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet, stellt eine Einziehung von Forderungen i.S. v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3a.E. der 6. EG-Richtlinie dar und ist damit von der mit dieser Bestimmung eingeführten Steuerbefreiung ausgeschlossen.
 

Problematik

Eine Factoring-KG, die zur Unternehmensgruppe eines Automobilherstellers gehörte, übernahm für die Vertriebs-GmbH das Factoring und Finanzierungsgeschäft. Für die angekauften Forderungen übernahm sie das Ausfallrisiko ohne Rückgriffsrecht auf die GmbH (echtes Factoring). Diese zahlte dafür eine Factoring- und eine Delkrederegebühr. Im Übrigen betrieb sie auch unechtes Factoring. Soweit die Factoring-KG den Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge im Zusammenhang mit dem echten Factoring geltend machte, versagte das Finanzamt diesen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH[1] und Abschn. 18 Abs. 4 Satz 3 UStR; danach betreibe sie das echte Factoring als Nichtunternehmerin. Im Revisionsverfahren legte der BFH Fragen zum Gemeinschaftsrecht vor[2], die der EuGH wie oben wiedergegeben beantwortete.

Der Factor erbringt beim echten Factoring mit Ankauf der Forderungen seines Kunden - ohne gegen diesen bei Ausfall von Schuldnern ein Rückgriffsrecht zu haben - dem Anschlusskunden eine Dienstleistung. Diese besteht im Wesentlichen darin, ihn von der Einziehung von Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung zu entlasten. Andererseits hat der Anschlusskunde dem Factor als Entgelt für diese Dienstleistung die Differenz zwischen dem Nennbetrag der dem Factor abgetretenen Forderungen und dem Betrag, den der Factor ihm als Preis für die Forderung zukommen lässt, zu bezahlen. Aus der Systematik der Richtlinie folgt, dass sie sowohl echtes als auch unechtes Factoring ohne Unterschied erfasst. Factoring ist als Unterbegriff des allgemeineren Begriffs "Einziehung von Forderungen" anzusehen. Echtes und unechtes Factoring gehören daher zu den von dieser Steuerbefreiung ausgenommenen Leistungen.

 

Konsequenzen für die Praxis

Die Umsätze aus echtem Factoring sind zu versteuern. Da Factoring (echtes und unechtes) unter die Ausnahme von der Befreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG fällt ("ausgenommen die Einziehung von Forderungen"), braucht der Unternehmer nicht erst zu optieren. Vorsteuerbeträge aus Leistungsbezügen im Zusammenhang mit echtem Factoring sind abziehbar. Unternehmer können diese Beurteilung des EuGH noch zu ihren Gunsten beanspruchen, soweit die entsprechenden Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind oder unter Nachprüfungsvorbehalt stehen. Allerdings ist zu beachten, ob die Gebühren für echtes Factoring (nach bisheriger Praxis zu § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG) möglicherweise ohne Umsatzsteuer-Aufschlag berechnet wurden. Dann muss die Umsatzsteuer aus dem Gebührenbetrag "herausgerechnet" werden, sofern der Factor sich mit dem Kunden nicht auf einen "Umsatzsteuer-Aufschlag" einigen kann. Für vorsteuerabzugsberechtigte Kunden dürfte dies weniger problematisch sein.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 26.06.2003, C-305/01,– MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH –, BFH/NV Beilage 2003 S. 222[3].

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