Das Wichtigste in Kürze:

1. Gem. § 201 Abs. 1 S. 1 wird dem Angeschuldigten die Anklageschrift vom Vorsitzenden des Gerichts mitgeteilt/zugestellt.
2. Mit der Zustellung der Anklageschrift wird der Angeschuldigte zugleich aufgefordert, innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist zu erklären, ob er vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle.
3. Bei der Frist des § 201 Abs. 1 handelt es sich um eine bloße Erklärungsfrist, nicht um eine Ausschlussfrist.
4. Nach § 201 Abs. 2 S. 2 ist die Entscheidung über die Anträge und Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens unanfechtbar.
 

Rdn 2311

 

Literaturhinweise:

Eschelbach, Gehör vor Gericht, GA 2004, 228

Kulhanek, Anklagen mit Zustellungsbevollmächtigten, NStZ 2015, 495

Kretschmer, Begriff und Bedeutung des Beweisantrages außerhalb der Hauptverhandlung, StraFo 2013, 184

Krekeler, Das Zwischenverfahren in Wirtschaftsstrafsachen aus der Sicht der Verteidigung, wistra 1985, 56.

 

Rdn 2312

1. Gem. § 201 Abs. 1 S. 1 wird dem Angeschuldigten die Anklageschrift vom Vorsitzenden des Gerichts mitgeteilt/zugestellt. Das dient einerseits der Unterrichtung des Angeschuldigten und sichert ihm außerdem das rechtliche Gehör.

 

Rdn 2313

Die Anklageschrift wird dem Angeschuldigten grds. persönlich mitgeteilt, auch wenn er einen gesetzlichen Vertreter hat (KK-Schneider, § 201 Rn 3; zur Frage der Mitteilung, wenn die Anklageschrift fehlerbehaftet ist, → Anklageschrift, Teil A Rdn 601). Es ist zulässig, sie gem. § 145a Abs. 1 dem Verteidiger mitzuteilen, allerdings muss davon dann gem. § 145a Abs. 3 der Angeschuldigte unterrichtet werden (zur Mitteilung an einen Zustellungsbevollmächtigten Kulhanek NStZ 2015, 495).

 

Rdn 2314

Ist der Angeschuldigte der deutschen Sprache nicht mächtig, ist es nach dem durch das "Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren" neu gefassten § 187 Abs. 2 S. 1 GVG grds. erforderlich, eine Übersetzung in die Muttersprache bzw. in eine Sprache, die er ­versteht, beizufügen (s. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK, Nr. 181 Abs. 2 RiStBV; Meyer-­Goßner/Schmitt, § 187 GVG Rn 3 u. Art. 6 EMRK Rn 18; LR-Stuckenberg, § 202 Rn 18, jeweils m.w.N.; → Anklageschrift, Teil A Rdn 593 ff.). Die Übersetzung erst in der HV reicht i.d.R. nicht aus (so wohl, aber letztlich offen gelassen, auch BGH NStZ 2014, 725 m. Anm. Deutscher StRR 2014, 386; NStZ 2017, 63 m. Anm. Arnoldi StRR 5/2016, 10; LG Heilbronn StV 1987, 192; a.A. – zum alten Recht – OLG Düsseldorf NJW 2003, 2766; zur Frage, wann ggf. eine bloß mündliche Übersetzung genügt, OLG Hamburg NStZ 1993, 53; LR-Stuckenberg, a.a.O.; → Übersetzung von Aktenbestandteilen, Teil U Rdn 4432).

 

☆ Der Verteidiger muss das Fehlen einer Übersetzung der Anklageschrift in der HV rügen , um diese Rüge nicht für die Revision zu verlieren (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Stuttgart StV 2003, 490; → Anklageschrift , Teil A Rdn  598 ).Fehlen einer Übersetzung der Anklageschrift in der HV rügen, um diese Rüge nicht für die Revision zu verlieren (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Stuttgart StV 2003, 490; → Anklageschrift, Teil A Rdn 598).

 

Rdn 2315

2.a) Mit der Zustellung der Anklageschrift wird der Angeschuldigte zugleich aufgefordert, innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist zu erklären, ob er vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen oder → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2230, vorbringen wolle.

 

Rdn 2316

Diese Frist muss angemessen sein. Maßgebend dafür sind Umfang und Schwierigkeit der Sache (LR-Stuckenberg, § 201 Rn 19 m.w.N.; Krekeler wistra 1985, 56; Kretschmer StraFo 2013, 184, 187). Der Angeschuldigte muss ausreichend Zeit haben, den Anklagevorwurf zu prüfen und seinen Verteidiger zu befragen (Kretschmer, a.a.O.). M.E. sind daher die in der Praxis i.d.R. festgesetzten Fristen von einer bzw. zwei Wochen meist zu kurz (zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers gem. § 141 Abs. 2 Nr. 4 → Anklageschrift, Teil A Rdn 572; → Pflichtverteidiger, Zeitpunkt der Beiordnung, Teil P Rdn 3669).

 

☆ Ist die Frist zu kurz bemessen, muss der Verteidiger Verlängerung beantragen (zur Zulässigkeit LR- Stuckenberg , § 201 Rn 20 f.). Auch stillschweigende Verlängerung ist möglich (LR- Stuckenberg , a.a.O.; Dahs , Rn 436 ff.). Dies gilt insbesondere, wenn er bis dahin noch keine AE gehabt hat. Dann muss der Verteidiger seinen Antrag auf AE mit dem Antrag auf Verlängerung der ­Erklärungsfrist des § 201 verbinden (so auch Dahs , a.a.O.; s. das Antragsmuster bei Teil E Rdn  2317 , und das Antragsmuster bei → Akteneinsicht, Allgemeines , Teil A Rdn  239 , das entsprechend abzuwan­deln ist).Verlängerung beantragen (zur Zulässigkeit LR-Stuckenberg, § 201 Rn 20 f.). Auch stillschweigende Verlängerung ist möglich (LR-Stuckenberg, a.a.O.; Dahs, Rn 43...

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