Leitsatz

Das geplante Aufstellen einer mobilen Parabolantenne auf dem Balkon durch einen deutschen Wohnungsnutzer kann u. U. nach entsprechender Abwägung der widerstreitenden Interessen duldungspflichtig sein

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 10 Abs. 1 EMRK

 

Kommentar

  1. In einer Teilungserklärung von 1991 war vereinbart, dass "die Anbringung von Außenantennen nicht gestattet sei". Eine solche Regelung unterliegt jedoch der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB (BGH v. 22.1.2004, V ZB 51/03, NJW 2004, 937, 940). Ein Festhalten an einem generellen Verbot von Parabolantennen kann deshalb treuwidrig sein, wenn Satellitenempfangsanlagen inzwischen aufgrund ihrer Größe und der nun geeigneten Installationsorte das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage nicht beeinträchtigen und auch sonstige berechtigte Interessen der Eigentümer nicht berührt sind.
  2. Durch einen Eigentümerbeschluss 2002 wurde im vorliegenden Fall auch das generelle Verbot von Außenantennen dahin relativiert, dass Ausnahmen schriftlich beantragt und vom Verwalter mit Zustimmung des Beirats genehmigt werden könnten. Auch durch einen solchen Mehrheitsbeschluss nach § 15 Abs. 2 WEG kann man den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums so weit regeln, als die Grenzen der Ordnungsmäßigkeit nicht überschritten sind und eine durch Vereinbarung getroffene Gebrauchsregelung nicht entgegensteht. Für vereinbarungsändernde Beschlüsse fehlt allerdings die Regelungskompetenz einer Gemeinschaft mit entsprechender Beschlussnichtigkeitsfolge. Vorliegend bestätigte allerdings der Beschluss die vereinbarte Regelung eines allgemeinen Verbots und gestattete lediglich Ausnahmen, die aufgrund ohnehin bestehender Inhaltskontrolle nach § 242 BGB in Betracht gekommen wären.
  3. Der Streit musste an das LG zur weiteren Tatsachenabklärung zurückverwiesen werden, um Nachteilswirkungen im Sinne einer baulichen Veränderung abzuklären. Auch eine relevante Beeinträchtigung ist nicht immer schon dann zu bejahen, wenn der optische Gesamteindruck der Wohnanlage verändert wird; erforderlich ist vielmehr weiter, dass sich die Veränderung objektiv nachteilig auf das äußere Bild der Anlage auswirkt (h. M.). Dies muss im Einzelfall durch richterlichen Augenschein ermittelt werden. Wenn die geplante Antenne hinter einer Balkonbrüstung nicht bzw. nur ganz minimal sichtbar wäre, ist von einer Duldungspflicht nach § 14 Nr. 1 WEG auszugehen. Ermittelt werden kann die Sichtbarkeit von außen etwa auf der Grundlage einer maßgetreuen Schablone. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass in unmittelbarer Nachbarschaft bereits drei weitere Parabolantennen deutlich sichtbar angebracht wurden.

    Fallbezogen sind hier die beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen abzuwägen, d. h. die Eigentumsrechte nach Art. 14 GG und demgegenüber das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG.

    In der Regel muss sich ein Eigentümer zwar auf einen bestehenden Kabelanschluss verweisen lassen, allerdings grds. nicht auf die Möglichkeit des Empfangs ausgestrahlter Rundfunkprogramme über herkömmliche Antennenanlagen; selbst bei einem vorhandenen Kabelanschluss kann auch ausnahmsweise ein besonderes Informationsinteresse das Aufstellen von Parabolantennen rechtfertigen, insbesondere bei ausländischen Staatsangehörigen, deren Heimatprogramme nicht oder nur in geringer Zahl in das deutsche Kabelnetz eingespeist werden. Ob das im Kabelnetz verfügbare Medienangebot die Meinungsvielfalt jedoch insgesamt noch hinreichend widerspiegelt, kann angesichts der zwischenzeitlich technischen Entwicklung bezweifelt werden (vgl. BGH vom 22.1.2004, wie oben), in deren Folge mehrere 100 Hörfunk- und Fernsehprogramme über Satellit in Europa zu empfangen sind (so die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen vom 27.6.2001 – KOM 2001, 351). Nach der Rechtsprechung des BGH kann dies auch dazu führen, dass in weitergehendem Umfang auch deutsche Wohnungsnutzer nicht länger auf einen vorhandenen Kabelanschluss verwiesen werden können, zumal nach Art. 10 Abs. 1 EMRK jeder Bürger eines Vertragsstaats das Recht auf Teilhabe an der dort garantierten Informationsfreiheit hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch EuGHMR v. 22.5.1990, 15/1989/175/231, NJW 1991, 620); der BGH konnte diese Frage im entschiedenen Fall 2004 noch offen lassen.

  4. Eine Interessenabwägung kann auch zum Ergebnis führen, dass einem deutschen Wohnungsnutzer ein Informationsgrundrecht im Hinblick auf fremdsprachige Programme nicht ohne Weiteres versagt werden sollte, selbst wenn er daran kein berufliches Interesse hat (etwa als Übersetzer und Dolmetscher), sondern diese privat nutzen will. Im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas, den zunehmenden internationalen Austausch und die Globalisierung der Arbeitsmärkte könnte es genügen, wenn ...

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