Rz. 45

Das Europäische Nachlasszeugnis wird ausschließlich auf Antrag erteilt. Die internationale Zuständigkeit richtet sich hierbei nach Art. 64 Satz 1 i. V. m. Art. 4, 7, 10 und 11 EuErbVO. Die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit richten sich wiederum nach dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 64 Satz 2 EuErbVO).

In Deutschland sind gemäß § 34 Abs. 4 IntErbRVG die Amtsgerichte – Nachlassgericht – ausschließlich sachlich zuständig. § 34 Abs. 1 bis 3 IntErbRVG regelt die örtliche Zuständigkeit.

In funktioneller Hinsicht muss bei der Zuständigkeit allerdings unterschieden werden. Grundsätzlich entscheidet über die Erteilung des ENZ der Rechtspfleger gemäß § 3 Nr. 2 lit. i) RpflG. Im Falle des Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen oder im Falle der Anwendung ausländischen Rechts bleibt die Entscheidung dem Richter vorbehalten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 RpflG).

Die sich aus Art. 63 Abs. 1 EuErbVO ergebenden Antragsberechtigten – Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter – können das hierfür vorgesehene Formblatt verwenden (vgl. Art. 65 Abs. 2 EuErbVO).[1] Im Rahmen der Antragstellung sollte genauestens darauf geachtet werden, dass alle nach Art. 65 Abs. 3 EuErbVO erforderlichen Unterlagen in der geforderten Form beigefügt werden.

Das Gericht prüft den Antrag sowie die eingereichten Schriftstücke umfassend, wobei es weitere Nachforschungen von Amts wegen durchführen kann und gemäß Art. 66 Abs. 5 EuErbVO sogar auf die Mitwirkung anderer mitgliedschaftlicher Behörden zurückgreifen kann. Letztere sind im Übrigen sogar verpflichtet, mitzuwirken und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (transnationale Amtshilfe).

Ergibt die abschließende rechtliche Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an einem ENZ hat, so stellt das Gericht dieses aus (Art. 67 Abs. 1 EuErbVO). Hierzu hat es das Formblatt V (Anhang 5) der EuErbVO-Durchführungsverordnung zu verwenden.

Die Gründe für eine Zurückweisung des Antrages regelt Art. 67 Abs. 1 Satz 3 EuErbVO. Hiergegen kann der Antragsteller die Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen (vgl. Art. 72 EuErbVO, § 43 IntErbRVG). Die einzuhaltende Frist beträgt bei einem Beschwerdeführer, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, einen Monat ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 IntErbRVG). Hat der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt allerdings im Ausland, so beträgt die Frist zwei Monate ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 IntErbRVG).

Dem Antragsteller wird allerdings – zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung – lediglich eine beglaubigte Abschrift des ENZ ausgehändigt, da die Urschrift stets in den Akten der Ausstellungsbehörde, mithin des Nachlassgerichtes, verbleibt (Art. 70 Abs. 1 EuErbVO).

Eine weitere Besonderheit enthält das ENZ im Vergleich zum nationalen Erbschein, da es lediglich für einen bestimmten Zeitraum Gültigkeit entfaltet. Dieser beträgt regelmäßig sechs Monate (Art. 70 Abs. 3 EuErbVO). Ist in der beglaubigten Abschrift eines ENZ kein Ablaufdatum angegeben, sondern diese mit dem Vermerk "unbefristet" versehen, ist das nach dem EuGH[2] dahingehend auszulegen, dass das ENZ für 6 Monate ab dem Ausstellungsdatum gültig ist. Sollte das ENZ ungültig geworden sein, allerdings weiterhin benötigt werden, so muss eine neue beglaubigte Abschrift beantragt werden.[3]

Der konkrete Inhalt des ENZ ist detailliert in Art. 68 EuErbVO geregelt. Nach Art. 68 j) und o) EuErbVO sind die Testamentsvollstreckung und die Befugnisse des Testamentsvollstreckers zwingend im ENZ anzugeben. Außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung bedarf es wohl weiterhin des klassischen Testamentsvollstreckerzeugnisses zur Legitimierung des Testamentsvollstreckers.

[1] Die Benutzung des Formblatts ist fakultativ, so der EuGH, Urteil v. 17.1.2019, C-102/18, auf Vorlage des OLG Köln vom 6.2.2018, I-2 Wx 276/17, 2 Wx 276/17.
[2] EuGH, Urteil v. 1.7.2021, C-301/20.

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