Rz. 199

Hat der Schuldner über die Miete/Pacht im Voraus verfügt, z.B. durch Abtretung, bestimmt § 1124 Abs. 1 BGB zunächst die Wirksamkeit dieser Vorausverfügung gegenüber der Hypothekenhaftung (siehe hierzu oben d) und e), siehe § 1 Rn 191). Eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung (Pfändung) steht nach allgemeiner Meinung einer rechtsgeschäftlichen Verfügung gleich. Die Beschlagnahme unterstellt aber diese Miete/Pacht für die Zukunft (also nicht für die Vergangenheit!) wieder der Hypothekenhaftung. Es ist dies die Folge des von der Beschlagnahme bewirkten relativen Veräußerungsverbotes. Daraus ergibt sich, dass die Vorausverfügung nicht unwirksam wird, sondern – so auch der Wortlaut des § 1124 BGB – nur dem Gläubiger gegenüber relativ unwirksam ist. Nach Wegfall des relativen Veräußerungsverbotes treten die Wirkungen der Vorausverfügung dem Schuldner gegenüber wieder ein. Pfändungen, die während der Dauer der Beschlagnahme von Dritten noch vorgenommen würden, wären auch dem Schuldner gegenüber unwirksam (§ 865 Abs. 2 S. 2 ZPO); ihre Beseitigung kann er gemäß § 766 ZPO herbeiführen.

 

Rz. 200

Der Mietzinsanspruch gehört auch dann zum Haftungsverband eines Grundpfandrechtes, wenn dieses erst nach einer Abtretung oder Pfändung begründet (= eingetragen) worden ist; sogar dann, wenn die Abtretung/Pfändung zugunsten eines vorrangigen Grundpfandrechtes erfolgte;[160] auch bei einer Pfändung mit dem "dinglichen Titel".

 

Rz. 201

Den Interessenstreit zwischen dem Berechtigten aus der Vorausverfügung und der Zwangsverwaltung löst § 1124 Abs. 2 BGB in gleicher Weise wie § 566b und § 1123 BGB. Erfolgt die Beschlagnahme

spätestens am 15. eines Monats, ist die Miete/Pacht für den laufenden Monat noch frei (= nicht von der Beschlagnahme erfasst);
nach dem 15. eines Monats, bleiben der laufende Monat und der folgende Monat frei.
 

Rz. 202

Die vorgenannten Beispiele (siehe § 1 Rn 189–197) würden sich also im Falle einer Vorausverfügung/Pfändung wie folgt darstellen:

 

Beispiel zu b)

Die Miete ist monatlich nachträglich fällig und seit April 2012 rückständig. Die Beschlagnahme erfolgt am 15.10.2013. Die Miete ist an das Finanzamt abgetreten.

Folge: Die Abtretung ist bezüglich des gesamten Rückstandes der Beschlagnahme gegenüber wirksam. Auf die Jahresfrist des § 1123 BGB kommt es nicht an. Ebenso steht die Miete für Oktober noch dem Finanzamt zu. Der Verwalter kann die Miete ab November 2013 einziehen.

 

Beispiel zu c)

Die Miete ist vierteljährlich im Voraus fällig und auch bezahlt; somit am 1.4. für April bis Juni. Die Beschlagnahme erfolgt am 18.4. Das Finanzamt darf die Miete für April und Mai behalten und muss jene für Juni dem Verwalter herausgeben.

 

Variation

Die Miete wurde am 1.4. nicht bezahlt; die Beschlagnahme erfolgt am 18.5. Dem Finanzamt steht die Miete für das gesamte Quartal zu. Der Verwalter kann erst ab 1.7. kassieren.

 

Rz. 203

Ist Mieter/Pächter eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und ist im Miet-/Pachtvertrag vereinbart, dass die Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist, handelt es sich bei dieser Vereinbarung nicht um eine Vorausverfügung i.S.d. § 1124 BGB.[161]

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