Leitsatz

  1. Die Eigentümerversammlung ist grundsätzlich nicht öffentlich
  2. Nur im Ausnahmefall ist es einem Eigentümer gestattet, einen Rechtsanwalt als Berater mit in die Versammlung zu nehmen
  3. Eingeschränkte Ermittlungspflicht des Gerichts im Beschlussanfechtungsverfahren bei antragstellerseits allein geltend gemachten formellen Gründen möglicher Beschlussungültigkeit
 

Normenkette

(§§ 23 Abs. 1, 24 WEG; § 12 FGG)

 

Kommentar

1. Die Eigentümerversammlung ist grundsätzlich nicht öffentlich (h.M.). Nur in bestimmten Fällen (vorliegend verneint) kann ein Eigentümer ein berechtigtes Interesse besitzen, in der Versammlung einen Berater hinzuzuziehen. Dafür müssen aber Gründe vorliegen, die gewichtiger sind als das Interesse der übrigen Eigentümer, die Versammlung auf den eigenen Kreis zu beschränken. Denn aus der Nichtöffentlichkeit der Versammlung folgt, dass die Anwesenheit Dritter grundsätzlich nicht geduldet werden muss (vgl. auch Müller, 3. Aufl., Rn. 373/374). Es ist deshalb eine Abwägung der gegensätzlichen Belange im Einzelfall vorzunehmen (BGHZ 121, 236). Gesichtspunkte bilden z.B. in der Person des betroffenen Wohnungseigentümers liegende Umstände, wie hohes Alter oder geistige Gebrechlichkeit, aber auch Umstände, die in der Schwierigkeit der anstehenden Beratungsgegenstände zu sehen sind. Andererseits kann in kleineren Gemeinschaften das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer, von äußeren Einflussnahmen ungestört beraten und abstimmen zu können, höher zu veranschlagen sein. Zerstrittenheit der Wohnungseigentümer untereinander reicht, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem der Beratungsgegenstände steht, grundsätzlich nicht aus (vgl. auch BayObLG, WM 1997, 567/570).

Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit bezweckt auch nicht in erster Linie, Beratung und Beschlussfassung der Eigentümerversammlung geheim zu halten; vielmehr sollen die Wohnungseigentümer in die Lage versetzt werden, Angelegenheiten der Gemeinschaft in Ruhe und ohne Einflussnahme Außenstehender zu erörtern (vgl. auch Wangemann/Drasdo, Die Eigentümerversammlung nach WEG, 2. Aufl., Rn. 84). Demnach kommt es auch nicht entscheidend darauf an, dass der von der Antragstellerin hinzugezogene Berater von Berufs wegen (§ 43a Abs. 2 BRAO) zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Mit berufsrechtlichen Bestimmungen lässt sich deshalb die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Berater in der Versammlung grundsätzlich nicht rechtfertigen. Bestimmungen der BRAO, die das Verhältnis des Anwalts zum Mandanten regeln, können auch nicht die Rechte dritter Personen, also die der übrigen Wohnungseigentümer beschneiden (Wangemann/Drasdo, Rn. 278).

2. Werden sämtliche Beschlüsse einer Eigentümerversammlung nach freiwilliger Entfernung des Eigentümers mit seinem Anwalt aus einem bestimmten formellen Grund angefochten, braucht das Wohnungseigentumsgericht ohne ausreichende Anhaltspunkte im Sachvortrag der Beteiligten oder im übrigen Akteninhalt von sich aus keine Ermittlungen dazu anstellen, ob die gefassten Beschlüsse aus anderen, nicht vorgebrachten Gründen ungültig sein könnten. Vorliegend war auch nicht von einem "faktischen Ausschluss" der Antragstellerseite auszugehen. Der hier gefasste Geschäftsordnungsbeschluss der Gemeinschaft ließ nicht erkennen, dass sich auch die Antragstellerseite aus der Versammlung entfernen müsste. Beim Verlassen des Versammlungsortes war die Antragstellerseite sogar noch in anwaltlicher Begleitung und somit fachkundig beraten.

3. Geschäftsordnungsbeschlüsse sind i.Ü. nicht anfechtbar, da sie regelmäßig mit Beendigung der Versammlung von selbst gegenstandslos werden (h.R.M.). Ist die in einem Geschäftsordnungsbeschluss getroffene Regelung rechtswidrig, so kann sie, wenn sich der Fehler entsprechend auswirkt, bei rechtzeitiger Anfechtung zur Ungültigkeit sonstiger in der Versammlung gefasster Beschlüsse führen; eine selbstständige Anfechtung ist jedoch – wie erwähnt – unzulässig. Anders wäre dies nur, wenn sich ein Teilnahmeausschluss eines Eigentümers über die gegenwärtige Versammlung hinaus auch auf künftige Versammlungen bezöge.

4. Jeder Beteiligte hat i.Ü. die für ihn vorteilhaften Umstände von sich aus im Prozess vorzubringen (BGH, NJW 2001, 1212). Nach dem Vortrag der Beteiligten sowie nach dem Akteninhalt ergaben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte, gefasste Beschlüsse aus anderen Gründen als dem des geltend gemachten Ausschlusses für rechtswidrig anzusehen. Aufgrund des nicht rechtswidrigen Ausschlusses des Rechtsbeistands und auch einer damit nicht erfolgten Verletzung der Teilnahmerechte der Antragstellerseite waren auch keine Kausalitätsüberlegungen mehr zu den gefassten Beschlüssen, die sämtlich angefochten wurden, anzustellen.

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Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 16.05.2002, 2Z BR 32/02( BayObLG v. 16.5.2002, 2Z BR 32/02)

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